Diese Woche war ich verliebt. Sie war alt, aber sehr charmant, klein, aber oho, nicht in Hochform, aber mit viel Potential und zwar billig, aber mit Niveau: Meine Traum-Location für ein Musik-Studio, Unterrichtsraum und Büro in Hamburg – St. Pauli. Leider war der Vermieter nicht gleichermaßen von mir begeistert und so bekam ich eine Absage. Musik sei nicht erwünscht, es sei dort alles sehr hellhörig. Vor meinem geistigen Auge hatte ich schon alles eingerichtet, Flyer verteilt und Untermieter gefunden, doch nun zerfiel alles wie ein Kartenhaus. Es hatte nicht sollen sein.
Wer in Hamburg schon mal einen Raum für Musik gesucht hat, weiß, dass die Hübschen unter ihnen, die mit Tageslicht, Innenstadtlage und bezahlbarer Miete, ungefähr an einer Hand abzuzählen sind. Die meisten Proberäume oder Studios befinden sich in alten, müffelnden Bunkern ohne Fenster oder in verlassenen Industriebauten am Rande der Stadt, wo sich Nachts nur noch Hase und Igel treffen. Das bringt mich (wieder einmal) zu der Frage, warum herrscht solch ein Paradox zwischen dem Wunsch nach Kultur in der Gesellschaft und der Unterstützung derer, die sie schaffen sollen? Ich habe mich in dieser Kolumne schon mit vielen der Hindernisse eines freiberuflichen Musiker-Daseins beschäftigt, aber die generelle Diskrepanz zwischen dem Stellenwert der Künste in Deutschland und dem Stellenwert der Musik bei jedem einzelnen Menschen ist so groß, dass dieses Thema mich einfach immer wieder beschäftigt.
Ich bin mir fast sicher, wenn man eine Umfrage machen würde, käme heraus, dass ein großer Prozentteil der Deutschen nicht auf Musik verzichten wollen würden. Aber warum wird das aktive Musikmachen dann nicht höher eingeordnet? Warum wird Musik als Schulfach gestrichen, werden Bands gebeten, umsonst aufzutreten und Songs von Newcomern nicht im Radio gespielt? Ja, Musik spült nicht vergleichbar viel Geld in die Kassen wie ein Aktienunternehmen, aber es ist Balsam für die Seele. Spätestens nach dem Burnout wird das auch der bestverdienende Manager zugeben müssen.
Ich möchte gar nicht unbedingt ein Schlagzeug direkt unter oder über die Wohnung einer alten Dame stellen, oder meine Gesangsübungen machen, während nebenan ein Baby schläft. Aber man bedenke, laut Hamburger Mietvertrag ist das Musizieren zwei Stunden täglich in der eigenen Wohnung sogar schriftlich erlaubt und festgehalten. Besser wäre aber ein Raum in einem schicken, neuem Haus, in dem Musik ausdrücklich erwünscht ist und die Miete nicht das Budget übersteigt. Wie wär’s, Kulturbehörde Hamburg?
Bild: Lauren Mancke.
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