Früher, ja früher, da war alles anders. Nicht unbedingt besser, aber anders. Eine der ersten Sachen, bei denen ich das gemerkt habe, war das Schriftbild meiner Mutter. Die hat gerne mal (und macht es noch heute) das zweite „s“ in „dass“ vergessen und andere komische Dinge gemacht, die mir in der Schule ganz anders beigebracht worden waren. „Ach ja, das war früher anders, diese Rechtschreibung…“. Recht hat sie, und dann kam noch eine „Neue Rechtschreibreform“, die alles noch mehr durcheinander brachte und verschlimmbesserte. Und jetzt sitzen wir alle im Schlamassel, aber nicht etwa, weil es eine richtige (neue) Variante und mehrere falsche (alte) gibt, sondern weil plötzlich gefühlt alles geht. Heißt ja auch nicht „Richtigschreibung“, Hauptsache, man schreibt „recht okay“, so dass wir alle wissen, was gemeint sein dürfte. Das ist nicht nur wenig zufriedenstellend, es führt zu einem schriftlichen Durcheinander und lauter Momente der Überlegung, die es eigentlich nicht bräuchte.
Ich behaupte von mir, die deutsche Sprache eigentlich ganz gut verschriftlichen zu können. In Rechtschreibung und Grammatik bin ich soweit ganz solide dabei, von den kleinen Vertippern und Gehirnausfällen mal abgesehen (ihr wisst schon, fehlende Zeit- und vor allem Schlafeinheiten…). Und doch erwische ich mich immer wieder dabei, mir bei Wörtern unsicher zu sein. Auch gerne mal bei welchen, die ich häufig sprachlich benutze, aber eben fast nie aufschreibe. Kommt dann der Fall, schwanke ich (un)gerne mal zwischen zwei Varianten und recherchiere dann die korrekte. Wo, wenn nicht beim Duden? Aber des Öfteren erhalte ich dann die Auskunft, dass beides geht. Entweder oder. Das stimmt mich irgendwie unruhig. Ich wollte eine Entscheidung, die ich mir dann (hoffentlich) eintrichtere und fortan keine Fehler mehr mache und direkt weiß, wie XY geschrieben wird. Aber nein, unsere Sprache wird flexibel, aufgeweicht und unkonkret. Das finde ich schade.
Klar, es gibt da diese total bescheuerten Neuvarianten, wie der vermehrte Wegfall des „ph“. Aus sprachromantischer Neigung schreibe ich noch immer gerne „Paragraph“, obwohl ich weiß, dass es eigentlich Paragraf heißen müsste. Aber laut „offizieller“ Duden-Ordnung geht tatsächlich beides.
„Von Duden empfohlene Schreibung: Paragraf
Alternative Schreibung: Paragraph“
Bei Potenzial habe ich mir sehr schnell und erfolgreich damals eingebläut, dass es fortan mit „z“ geschrieben wird und es in sämtlichen Gegenlesungen in Uni und auf Arbeit angemarkert. Aber nein – auch hier gehen beide Varianten. Wo ist hier nur die deutsche Genauigkeit geblieben? Die gibt es dann bei unmöglichen Eindeutschungen von so wundervollen Eingliederungen in den Wortschatz wie „Portrait“ – was tatsächlich falsch ist. Ja, das ist der originale Wortursprung, aber mittlerweile wird ausschließlich Porträt akzeptiert. Wuäh!
Irgendwann kam ich mir mal dumm vor, weil ich „Alptraum“ geschrieben hatte. „Haste von den Bergen geträumt?!“ hieß es da in einem läppischen Kommentar. Ab da habe ich diese Eselsbrücke genutzt, um artig stets „Albtraum“ zu schreiben. Ihr ahnt es bereits: es geht beides. Ähnliches bei schick, was ich immer genutzt hatte, dann irgendwann unsicher wurde, als ich irgendwo „chic“ las. Geht beides. „Soße“ oder „Sauce“? Geht beides. „Selbstständig“ oder „selbständig“? Geht beides. Seit Kurzem kann man sogar zwischen „seit Kurzem“ oder „seit kurzem“ frei wählen. Und selbst beim guten alten Aufwand ist es nicht mehr klar: „aufwendig“ und „aufwändig“ geht. Mein Gott, selbst bei der Dachzeile war ich unsicher, ob der Duden nun eine groß geschriebene direkte Ansprache in guter alter Briefform verdient hat oder nicht. Mittlerweile kann man aber auch hier verfahren, wie man möchte. Und beim Plural von Sneaker(s) muss ich auch weiterhin uneins sein, ob da nun ein „s“ hin sollte oder lieber nicht…
Lieber Duden, bitte entscheide dich Dich dich! Denn sonst muss ich mich entscheiden. Und wenn du schon alles in moderne Lautschrift umwandelst, sei wenigstens kompromisslos und zieh es komplett durch. Wir sind doch sonst das Bürokratie-Land Nummer Eins auf der Welt und sorgen für Ordnung, wo es nur geht (und keinen Sinn macht). Ich möchte ungern von meinen Enkeln gesagt bekommen, dass die „Neue neue Rechtschreibreform“ aus dem Jahr 2044 nun gleichwertig erlaubt, „Eins“, „eins“ oder „1“ zu schreiben. Oder gleich ein Emoji zu nutzen. Stringente Sprache, einfache Sprache. Dann kann man immer noch die Regeln brechen und „wie früher“ schreiben.
Bei meiner Recherche habe ich aber wenigstens gelernt, dass der Genitiv von „Internet“ offiziell Internets heißt. Danke, so kann ich in Zukunft wenigstens ein paar ruhigere Momente verleben. Bis die nächste Änderung daher kommt und unsere Sprache unnötig aufweicht.
Foto: Álvaro Serrano
Ich finde ja, der Genitiv von „Internet“ sollte „Internetz“ heißen. Das sieht viel logischer aus. ;)
Stimmt, das wäre mal konsequent! Oder „Interwebs“.
Wow… Es gibt schon mehr als ein Internet?!
Ich dachte das ist das „allereinzigste“ Internet. :D
Wo steht das genau? Ich hoffe jetzt nicht, dass du „Genitiv“ mit „Plural“ verwechselt hast… ;)
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