Vergangenes Wochenende war ich zum ersten Mal auf einem britischen Musikfestival. Neben der Erfahrung eines neuen Geländes gab es aber auch einige darüber hinausgehende Unterschiede zu gängigen Festivals in Deutschland, die ich interessant fand und in diesem Nachbericht festhalten möchte.
Vor einigen Monaten hatte ich eher zufällig das Bild des damaligen Line-ups zum Victorious Festival 2024 auf dem Twitter-Account einer teilnehmenden Band gesehen. Neben dieser Band waren auch ungewöhnlich viele andere Bands dabei, die uns gefallen (UK-Musikmarkt halt), weshalb wir mal spaßeshalber geschaut haben, wo das Festival liegt und ob man da überhaupt einigermaßen hin kommt. Stellt sich heraus: Beim Victorious handelt es sich um ein Stadtfestival an der Küste von Portsmouth, das gar nicht so weit von London entfernt ist, wohin es Direktflüge von Hannover aus gibt. Also haben wir das „Verrückte“ getan und Early-Bird-Wochenend-Tickets gekauft. Abenteuer, wohoo!
Anreise aus Deutschland
Mit dem Flieger sind wir in etwas über einer Stunde zum Flughafen Heathrow gekommen, wo direkte Busverbindungen nach Portsmouth existieren (nochmal etwa anderthalb Stunden). Die Taktung war etwas ungünstig an dem Tag und man baut ja (un)gerne Zeitpuffer überall ein, weshalb es dann doch ein ziemlich stattlicher Anreisetag wurde. Aber am späten Nachmittag haben wir in einem Airbnb in der Stadt eingecheckt und waren ready. Ich war mit meinem Lieblingsmädchen dort. So hatten wir die Möglichkeit, uns auch mal aufzuteilen, um mehr Acts, Areas, Food-Erfahrungen und sonstige Eindrücke mitnehmen zu können. Und so konnte auch jemand Fotos von mir machen.
Unterschiede: Englische vs. deutsche Festivals
Der erste Unterschied zu deutschen Festivals ist logischerweise die Location – aber das ist ja bei jedem Festival der Fall. Das Victorious Festival ist aber nicht einfach „nur“ am Meer gelegen, so dass man Möwen und das ein oder andere große Schiff beobachten kann, es befindet sich gar an einem geschichtsträchtigen Ort. Dort befindet sich nämlich ein Denkmal mit angeschlossenem Museum zum D-Day (Eintritt ist im Festivalticket inbegriffen).
Der Einlass am Freitagvormittag verlief erwartungsgemäß schnell. Fun Fact: Es gibt dort keine Restriktion hinsichtlich der Taschen-Art und -Größe. Entspannt. Allerdings mussten wir auch an den weiteren Tagen nie wirklich lange anstehen, das ging meist binnen weniger Minuten. Im Gegensatz zu deutschen Festivals ist es aber nicht unbedingt selbstverständlich, dass das am frühen Tag bereits schnell geht, denn es sind bereits erstaunlich viele Leute zu der Zeit vor Ort gewesen. Grund dafür waren die Afternoon Acts. So spielte jeden Tag ein namhafter Act bereits um 13:15 Uhr. Freitag war das Razorlight, die die Main Stage erstaunlich voll bekommen haben (auf dem Foto jetzt weniger zu sehen, aber glaubt mir einfach).
Samstag hat Tom Walker deutlich weniger Leute angezogen, das dürfte aber an vor allem zwei Dingen gelegen haben. Zum einen war das Wetter an dem Tag sehr unschön – zumindest bis zum Nachmittag. Bis kurz vor und auch noch teilweise während Walkers Auftritt hatte es geregnet. Des Weiteren war das Samstags-Line-up im Vergleich zu den anderen Tagen deutlich schlechter. Wir hatten gar zwischenzeitlich überlegt, den Tag komplett zu skippen, haben so aber auch genug vor Ort gefunden, um den Tag voll zu kriegen. Sonntag waren The Kooks mittags dran und haben die beste Stimmung der drei Acts hinbekommen, auch wenn vielleicht minimal weniger Leute als bei Razorlight da waren.
Was mir aufgefallen ist: Es wird weniger mitgeklatscht. Da stimmt das geläufige Vorurteil mit den Klatsch-willigen Deutschen anscheinend, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit freudig die Patschehändchen aneinander werfen. Es gab solche Momente, aber die waren deutlich dosierter und vor allem bei Stellen, an denen es Sinn ergibt (vornehmlich, wenn die Band selbst es initiiert hatte).
Ungewöhnlich empfand ich die Spielzeiten der Acts, die spürbar kürzer waren als bei uns in Deutschland. Tagsüber gibt es selbst bei nicht mehr ganz so kleinen Acts viele Halbstunden-Sets. Danach hat der Großteil 45 Minuten Spielzeit, ehe ein paar mit 50 Minuten kommen. Selbst die Headliner haben „nur“ 70 bis 90 Minuten. An sich finde ich das aber gar nicht schlecht, denn so sind die Setlists griffiger und man hat schnell wieder das Nächste und somit die Chance, mehr an einem Tag zu sehen.
Praktisch: Auf den Stages wurde während der Umbaupausen angezeigt, welche Acts dort zu welchen Zeiten an dem Tag auftreten.
Unschön: Auf den Stages wurde während der Umbaupausen Musik vom Band abgespielt, die beinahe so laut wie die Live-Acts war. Das empfand ich schon als äußerst störend. Vor allem, weil sich so beinahe überall auf dem Gelände ein Misch-Masch an lauten Geräuschen gebildet hat. Denn eigentlich war immer irgendwo etwas los. Neben den zwei größeren Stages gibt es auf dem Victorious auch noch einige kleinere, bis hin zu richtig kleinen, wo lokale Acts und Cover Artists auftreten. Das ist super, weil man eigentlich immer etwas entdeckt, bei dem man stehendbleiben oder sich gar hinsetzen und chillen kann. Das hatte – auch in Verbindung mit dem weitläufigen Gelände und einigen ausgefallenen Kunst- und Kauf-Angeboten – einen Charme, der mich an das „A Summer’s Tale“-Festival hier in Deutschland erinnert hat, das ich von der Atmosphäre her sehr mochte.
Das Victorious Festival ist halt auch ein Familien-Festival. Das merkt man nicht nur daran, dass etliche Kinder mit vor den Stages sind, es gibt einen gigantischen Kids-Bereich. Dort steht nicht nur eine Familienbühne mit Kinder-tauglichem Programm (der echte Spongebob Schwammkopf war unter anderem da!!), es gibt auch ganz viele interaktive Spiel- und Sport-Angebote.
Interessanter Weise empfand ich vor allem am Freitag den Altersschnitt (im generellen Bereich des Festivals) als ungewöhnlich hoch. Ist man von deutschen Maintstream-Festivals á la „Hurricane“ und Co. eher das jüngere Publikum gewohnt, waren beim Victorious auch ziemlich viele Leute im Bereich von 40-60 Jahren oder darüber zugegen. Aber kein Wunder, das Festival ist super entspannt, man kann immer ziemlich easy durch die Menschenmassen auch bis weiter vorne vor eine Bühne gehen, da sich wenig drängt. Es gibt viel Platz, viele Sitzgelegenheiten und viel Schatten. Und das alles, obwohl da jetzt auch nicht wenige Menschen vor Ort sind. In einigen Jahren wurden über 120.000 Besuchende gezählt. Wenn man dann mal zur Castle Stage ist, wo man neben einem großen Wiesenbereich auch eine Deich- und Burg-Anlage mit Zuschauenden bestückt sieht, weiß man, wo die Massen sind (hier auf dem Foto war es sogar gerade eher leerer).
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