Zunächst ein kleiner Disclaimer: Ich habe heute Mittag erfahren, dass Rainer aus guten Gründen heute keine Kolumne anliefern kann – also springe ich spontan ein. Wirklich viel Zeit werde ich – ebenso aus guten Gründen – leider auch nicht in diesen Text gehen lassen können. Seht es einfach als einen gedanklichen Ausschweif, der mir gerade unstrukturiert in den Kopf gekommen ist. Vielleicht ist ja der ein oder andere Gedanke für euch dabei. Aber kommen wir zur hochdramatischen Überschrift…
„Blogs sind tot“. Diesen „Unsatz des Jahrtausends“ gab es mittlerweile etliche Male zu lesen und hören, eine fixe Google-Suche offenbart allerlei unterschiedliche Gedankensätze bzw. Gründe und zitierte Personen dazu. Und wie so oft, wenn Unkenrufe sich mehren und über Jahre halten – sie haben Recht. Ein bisschen zumindest.
Dezentral und austauschbar
Sind wir mal ehrlich. Vor zehneinhalb Jahren, als ich mit dem Bloggen angefangen habe, gab es noch nicht so viele. Sie waren „der neue heiße Scheiß“, obwohl schon Jahre alt, aber eben noch in den Kinderschuhen und mit diesem glitzernden „Anders-Schein“. Dann kamen abertausende hinzu und die Professionalisierung ist nicht nur bei findigen Entwicklern eingetreten, die fortan etlichen Leuten das gleiche Blogdesign verkauft haben. Man will ja auch keine schlechter aussehende Seite als der andere haben, also am besten auf Nummer Sicher gehen und einfach das exakt gleiche nehmen. Aber wieso beim Aussehen aufhören? Am besten noch alles Rebloggen, was funktioniert. Und so entwickelte sich aus den individuellen Personenblogs, deren Einzigartigkeit schon alleine durch den Fakt gegeben war, dass sie eben von einer Person geführt und Inhalte gefiltert wurden, eine austauschbare Suppe viraler Inhalte, die man doch hier und dort und drüben schon gesehen hat – oder sehen wird. Klar, einer ist immer der/die Erste, ist der Feed nur breit genug gefächert, bekommt man schon alles mit, keine Bange.
„Feed“? Ach ja, RSS nutzt ja niemand mehr. Dann eben „Stream“, okay? Auf Facebook Seiten liken ist ja quasi das Gleiche wie abonnieren, richtig? Falsch. Da bekommt ihr durch Algorithmen Werbegelder nur Bruchteile präsentiert – aber das reicht ja. Den überviralen Kram bekommt ihr mit, am besten, ohne Facebook oder Twitter zu verlassen, ist ja alles da. Und selbst wenn man sich mal auf die eigentliche Seite des Blogs verirrt, wird das Video angeschaut, der Text gelesen oder das Gewinnspielformular ausgefüllt – und Tschüss. Das ist nicht einmal eine großartige Kritik meinerseits – auch wenn ich es mir natürlich anders wünschen würde – aber ich mache es ja selbst so. Also, meistens zumindest. Das ist eben so wunderbar angenehm.
Und so bekommen die großen Social Media-Portale den ganzen Standard-Traffic. Blogs und selbst klassische Verlagsangebote werden immer mehr in die Pflicht genommen, müssen nach den Regeln der Großen mitspielen, mischen hier und da ein bisschen Clickbaiting ein und verwandeln sich kurioserweise in Sachen Inhalten mehr und mehr zu Blogs. Mittlerweile gibt es nicht nur 283743 Blogs, die das gleiche Viralvideo streuen, sondern noch 234 Online-Redaktionen, gar Marken, die den Kram teilen. Gutes Recht, würde ich ja auch so machen, funktioniert ja. Aber am Ende haben wir zwar dieses riesige Internet mit diesen unendlich vielen schönen und originellen Dingen, am Ende schauen aber alle die vier gleichen Katzenvideos an und können auf dem Schulhof darüber reden. Da sag nochmal einer, das lineare Fernsehen wäre tot.
Oh man, ich schweife ab… Jedenfalls erfahren wir Blogger natürlich weniger Direkttraffic, wenn wir die Regeln der viralen Dingsdabumste nicht mitspielen. Das ist auch kein Problem, jeder muss halt dann für sich entscheiden, ob man 20 Katzenbilder am Tag postet, weil es funktioniert, oder eigenen Inhalt macht und versucht die Perlen hervorzubringen, was dann vermutlich weniger Leute anspricht, aber die einen dafür vielleicht mehr zu schätzen wissen. Oder aber man geht einfach in all den Katzenbildchen unter und selbst wenn Leute sich über originellen Content freuen, verschwinden sie schnell wieder auf Facebook oder anderen Seiten und wissen nicht, wo sie das überhaupt gesehen hatten.
Rebranding?
Aber es gibt eine Lösung: Plötzlich sind Blogger nämlich keine Blogger mehr, sondern „Influencer“. Das hat wieder diesen „Neu-und-anders-Schein“ und umfasst einfach noch mehr Personen(gruppen) in einem butterweich-schwammigen Begriff. Am Ende wird es aber der „Ausweg“ für Blogger sein, die schaffen, eine eigene Marke zu bilden. Unabhängig von ihrem einstigen alleinigen Zuhause. Klar, es wird immer noch DEN zentralen Hub und Rückzugsort für Texte wie diesen geben, aber mittlerweile werden über Instagram und Co. derartige persönliche Reichweiten geschaffen (also von anderen, ich bin da eher im Nichtschwimmerbecken anzutreffen), dass man von Blogs eigentlich kaum mehr etwas hört. Geht doch alles im Stream. Und schaut mal, die Engagementrate – klasse! Und so erschaffen Agenturen, C-Promis und Models ganz nebenbei eine neue Welt, die so vernebelt ist, dass es wieder etliche Blinde gibt und man als Einäugiger punkten kann.
Ich wirke schon wieder so gehässig, dabei will ich eigentlich keinem wirklich was und mich ärgert die Situation nicht einmal (mehr) dermaßen. Es ist halt einfach so. Blogs werden entweder zu funktionierenden Redaktionsteams, die analog zu klassischen Verlagsangeboten als Online-Magazin (oder whatever) wirtschaftlich funktionieren, oder man wird als Person Influencer, schafft es, sich als Marke aufzubauen und entsprechend Plattform-unabhängig zu funktionieren. Nur kommen natürlich alle auf diese großartig einfache Idee und plötzlich ist man nicht mehr besonders, wenn alle Influencer sind. Also bleibt am Ende (hoffentlich) nur das Eine: Eigenes erschaffen.
Wer originale Inhalte schafft (nein, ich sage jetzt nicht „Content Creator“), kann sich noch abheben. Wer einzigartig ist, kann sich noch abheben. Und selbst in dieser supervollen Internetblase, in denen wir alles schon zu sehen gehabt haben scheinen, können noch originelle Dinge und Figuren durchkommen. Schaut euch Fynn Kliemann an und was er aus dem Nichts innerhalb von zwei Jahren erreicht hat – genial! Allzu gerne hätte ich mal wieder einen Blog, der aus dem Nichts und ohne vorherige Personenbekanntschaft erscheint und etwas Neues bringt, sich durchsetzt und zeigt, dass man noch etwas erreichen kann. Und bis dahin läuft eben alles so weiter. Mit etwas weniger Traffic hier, etwas mehr auf den Socials, dem einen oder anderen neuen Blog, der im gleichen Design über die gleichen Dinge schreibt und irgendwann einfallslos „Blogs sind tot“ schreibt, weil sein eingeplanter Kolumnist verhindert war. Der Kreislauf des Bloggens oder so.
Untot.
Nein, wir Blogger sterben nicht aus, aber wir leiden an Krankheiten. Die sind nicht wirklich schlimm, zumindest bedrohen sie nicht jeden Einzelnen, aber manch einer dürfte beim Gedanken an ein bisschen Schnupfen lieber gleich die Tastatur beiseitelegen – ist sicherer. Andere kämpfen weiter gegen Windmühlen, Vorurteile und fehlenden Sach- und Menschenverstand, den Kommentarspalten und Posteingänge auf regelmäßiger Basis bereithalten. Und haben Spaß daran und lassen ihn sich nicht nehmen. Denn genau darum geht es.
Foto: Seth Schwiet.
Betrachtet man das Bloggeschehen aus der Sicht eines Blogs wie dem Deinen, dann mögen die gezogenen Schlüsse richtig sein.
Für kleine Blogger, die mit ihren Blogs kein Geld verdienen (wollen), die das tun, weil sie schon immer ein Teil der Community sind und waren, sieht das ein wenig anders aus.
In meinem Beispiel – ich blogge nun im 11 Jahr – war/ist nach dem Reboot vor 6 Jahren die Zahl der Leser sehr stabil, was bedeutet, dass das Blog seine Nische gefunden hat. Stark zurück gegangen hingegen ist das Engagement der Leser und zwar in jeglicher Form.
Aus irgend einem Grund aber machen die kleinen Blogs ja ihren Job – in meinem Fall geht es mir klar um die Kontakte, durch Kommentare, durch Einsendungen etc. Sind diese eines Tages nicht mehr vorhanden, oder kann ich mit der ohnehin schon jetzt geringen Zahl nicht mehr leben, stirbt mein (kleines) Blog, so wie viele andere vor mir, von denen ich viele gelesen habe und viele nach mir.
Aus meiner Sicht ein laufender Prozess mit klarem Ausgang.
Da bin ich ganz bei dir. Bei seriesly AWESOME ist es ja auch so – thematische Nische, Hobby-Thema ohne wirklichen Geldregen, aber das wabert halt vor sich hin und man muss sich den Veränderungen in Sachen Mediennutzungsverhalten anpassen. Recht stabil sind die Zahlen hier im Grund genommen auch, aber eine Tendenz lässt sich halt absehen in den Quellen der Leser, die vermehrt über Google oder Socials kommen, statt direkt über die Seite. Ergo auch weniger Engagement bzw. Kommentare und so. :/
Grundsätzlich hast du Recht und wie auch aus deinem Text hervorgeht, ist „das“ Problem vielschichtig. Ich kann für mich nur sagen: Ich möchte gar kein Influencer sein, nur um „irgendwie wahrgenommen“ zu werden – allein der Begriff stört mich schon, weil selbst von der Wortbedeutung her meine Oma Influencer sein könnte. Ich möchte Texte schreiben und coole Sache zeigen und das natürlich am liebsten auf meiner Seite. Aber klar, auch hier gilt dann wieder: das machen schon ganz viele andere und alle mit bereits bestehender, größerer Reichweite werden eher wahrgenommen, als der neue, kleine Pupsblog, der gerade erst anfängt. Da muss man eben zusehen, dass man sich auch damit von der breiten Masse abhebt, wie auch immer man das letztendlich anstellt.
Hilft natürlich nur bedingt dagegen, dass sich der Großteil nur noch auf irgendwelchen sozialen Netzwerken abspielt und vom Algorithmus fremdbestimmt wird. Für mich fühlt sich das mittlerweile so an, dass man sich entscheiden muss: will man einfach nur wahrgenommen werden als Mensch(Marke), dann muss man sich von dem ganzen Bloggerkram lösen und dahingehen, wo es die größte Aufmerksamkeit gibt. Gleichzeitig auch das machen, was die größte Aufmerksamkeit bringt – egal ob das nun irgendwelche Fakebilder auf Instagram sind oder lustige Witzebilder auf Facebook. Oder will man einfach sein Blog-Ding machen, dass man schon seit Jahren macht – dann muss man mit all den Schwierigkeiten einfach leben, die du angesprochen hast.
BTW: wer „Blog sind tot“ ruft, glaubt auch an den Tod von Print, Facebook und den Weihnachtsmann. Vielleicht werden es weniger (Nutzer), aber so ganz aussterben … nee.
Korrekt – aber klar ist in diesem Fall, dass das Blog eines Tages sterben wird. Und darum ging es am Ende ja – betrachtet aus meiner Sichtweise ;-)
Das ja sowieso, schließlich ist auch deine Zeit (am Tag, in der Woche oder insgesamt) endlich ;)
Deine Oma ist auch ein Influencer – zumindest dürfte sie das Leben so einiger maßgeblich beeinflusst haben. ;) Omas <3!
Die Frage ist halt, ob das "einfach weitermachen" auf Dauer funktioniert. Klar, es werden dann noch immer ein paar Nasen auf die Seite kommen, es wird nie zum "Kompletttod" kommen, aber man merkt, wie Blogs als ehemaliger Hub abgelöst werden.
Hach, hätte ich das Thema doch mit mehr Vorlauf und Zeit strukturierter angehen können. Vielleicht dann bei meiner nächsten eigentlichen eigenen Kolumne...
Klar, die große Nummer sind sie schon lange nicht mehr. Aber das liegt ja nun auch wieder in der Natur der Sache – alles im Wandel, alles im Fluß, bla bla. Damit muss man sich tatsächlich einfach abfinden – genau wie die Video- und Musikkasetten. Und wer weiß, vielleicht sind Blogs irgendwann auch wie Vinyl und kommen wieder ;)
Pingback: Sterben Blogs aus? – Monstrop♎︎lis
Vermehrt lese ich, dass die Bloggerwelt „tot“ ist. Aber ehrlich gesagt sind das dann auch die Blogger die das behaupten, die auf jeden Trend aufspringen und mit der Masse mit schwimmen, anstatt sie selbst zu sein, anstatt ihr eigenes Ding zu machen.
Und mir ist das persönlich auch sch… egal, denn schon vor 5 Jahren gab es solche Artikel auf allen Kanälen im Netz. Ihr denkt alle zu viel nach – Macht Eure Ding, der eine schlechter, die anderen besser.
<3
Mal ganz davon abgesehen, dass du meinen Beitrag nicht gelesen zu haben scheinst, sollte man dennoch nicht blindlings in offenkundige Entwicklungen rasen. Aber deinem Abschluss kann ich mich durchaus anschließend. :)
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