Tja, nun sind die Coronaferien um und alles ist tutti. Leute sterben nicht mehr nur pandemiebedingt, sondern auch an Krebs, in Autounfällen und an Altersschwäche. Alles ist normal. Der Alltag hat uns endlich wieder. Der Klimawandel ist auch aufs Neue da und die politischen Themen bewegen sich ungeniert in unangenehme Bereiche. Die Nachrichten sind eher von Fußballthemen geprägt und nicht mehr von tragischen Fallzahlen. Es ist fast alles wie vorher. Gut, wir dürfen unsere langvermissten Liebsten und Freunde nur unter Einhaltung diverser Hygienemaßnahmen treffen. Beim Einkaufen oder in den Öffis sind Alltagsmasken unsere Dauerbegleiter. Das nervt vielleicht manchmal, aber es ist kein Beinbruch. Megakonzerte sind momentan auch noch nicht so angesagt, aber dafür hat das Autokino ein Revival. Der Abstand zu fremden Menschen soll weiterhin bei 1,5m liegen. Das kommt mir gelegen. Mag ich nämlich nicht. Menschen. Bah.
Was ist noch gleich und doch anders? Über den Fußball und seine Geisterspiele reden wir auf keinen Fall. Sagen wir, ich komme aus einer Hansestadt, deren Mannschaft sich nicht mit Ruhm bekleckert hat. Dennoch gibt es für die pillenkickenden Herren einen erfolgreichen und einheitlichen Fahrplan, was Hygiene und Abstand angeht. Ungeachtet der Umsetzung. In den Kindergärten und Schulen hat man nämlich keinen. Es herrscht ein Flickenteppich an sich ständig ändernden Maßnahmen. Warum auch nicht? Den Lehrern und Erziehern soll ja nicht langweilig werden. Wer die Ironie hier nicht rauslesen kann, hat vermutlich keine Kinder oder gesunden Menschenverstand. Was ist eigentlich aus den Prämien für Pflegekräfte und das Krankenpflegepersonal geworden? Naja, wir können ja bei der zweiten Welle abends einfach ein bisschen lauter klatschen. Und wo sind die Einkaufsgutscheine, um die Wirtschaft anzukurbeln? Oder die Einmalzahlung pro Kinderkopf an Familien? All‘ die schönen Ideen aus den Coronaferien haben sich nur bedingt durchgesetzt. Was sich aber großartig durchsetzt und für Erheiterung, Kopfschütteln und eisige Schauer sorgt, sind die Verschwörungstheorien. Manche harmlos, manche weniger. An jeder Ecke gibt es sie in allen Formen, Farben und Ausführungen. Es ist für jeden was dabei. Trump spielt übrigens immer noch eine Rolle im Kasperletheater der Weltpolitik und wenn er schon (unerwarteterweise) nirgends einen Krieg angezettelt hat, so kann er jetzt trotzdem eine beachtliche Menge Leichen in seiner Amtszeit vorweisen.
Alles in allem könnte man behaupten, dass unser Alltag sich doch verändert hat. Ein bisschen. In kleinen Dingen, wie in großen. Den Kindern muss man erklären, warum sie auf dem Spielplatz von ihren Freunden Abstand halten müssen und auf Beerdigungen wird sich halt nur noch verbal gegenseitig getröstet. Besonders schwer fällt es vielen, die Hände bewusst aus dem Gesicht zu lassen. Wie oft man sich unbewusst ins Gesicht greift oder in den Haaren rumfummelt ist unglaublich. Und dann der ständige Kniff an die Nase, damit der Draht der Maske ordentlich auf der Nase sitzt. Vor allem für Brillenträger enorm wichtig. Leute mit Pollenallergie haben es im Moment doppelt schwer. Nicht nur, dass sie sowieso mit Husten, Niesen und quaddeligen Augen gestraft sind, nein, sie ernten auch nervöse bis giftige Blicke, wenn sie sich unter die Restbevölkerung mischen.
Es gibt noch so viele Bereiche, in denen der Alltag gleich und doch anders ist. Sei es im Einzelhandel, beim Arztbesuch, bei der Urlaubsplanung oder im Kreißsaal… Aber die Menschheit macht das, was sie schon immer am besten konnte: Wir passen uns an. Das ist unsere erfolgreichste Eigenschaft. Wir halten durch und richten uns auf die Umstände ein. Hey, wir haben Eiszeiten überlebt. Da werden wir doch wohl einem Virus den Stinkefinger zeigen. Arschbacken zusammenkneifen und tapfer bleiben. Manche in der Gemeinschaft, manche mit den Ellenbogen gegen alle anderen. Jeder so, wie er kann. Wir werden mal sehen, was draus wird. Und sollte tatsächlich eine zweite Welle auf uns zukommen, sind die Konzerne bestimmt schon auf die Hamsterwut vorbereitet und haben den Vorrat an Klopapier aufgestockt. Und alle Hausfrauen haben ein Tiefkühlfach mit Hefepäckchen gefüllt. Reicht dann bis zur Rente der Enkel. Auf die Zukunft!
#wirdschon
#alltagsmaskegehoertueberdienase
Und jetzt stellen wir uns vor, wir gehören einer Hochrisikogruppe an, die bei einer Covid-19-Infektion sicher sterben wird. Dann wird klar, dass Reisen, Enkelbesuche und vieles andere nicht mehr möglich sind und das auf nicht absehbare Zeit. Von den Menschen, die einen korrekten Umgang mit einer Maske wohl nicht mehr lernen werden und damit eine potentielle Gefahr schon beim Einkauf darstellen, mal gar nicht zu reden. Als Ehemann einer solchen Hochrisikopatientin kann ich sagen: Nichts ist normal und nichts ist wie zuvor.
Schaut euch mal Profiteure der Angst von arte/NDR 2009 bei youtube an. Es könnte sein, dass man danach einen kritischeren Blick auf die aktuellen Maßnahmen bekommt. Wenn nicht, schön in der Systemblase bleiben :-)