Der Frühling macht sich allmählich bemerkbar und mit seiner Ankunft endet die wohl schweizerischste aller Jahreszeiten. Als Schneesportnation leben wir für den Winter und die weisse Pracht. Ich bin zwar nicht so skiversessen wie viele meiner Kompatrioten, aber auch ich trauere dem Winter schon jetzt ein bisschen nach. Das liegt in erster Linie daran, dass mit dem Winter auch die Fondue-Saison zu Ende geht.
„Helvetismen sind zu vermeiden.“ In grossen, roten Lettern hatte mein Deutschlehrer diesen Satz über meinen Aufsatz geschrieben. Eine strenge Ermahnung, dass ich mich gefälligst zu zügeln hatte. Denn ich neige bisweilen dazu, Helvetismen in meinen Texten unterzubringen. Mit diesem Begriff werden schweizerdeutsche Worte umschrieben, die es im Deutschen so nicht gibt, und die daher strenggenommen falsch verwendet werden. Also „strenggenommen“, was heisst, dass man das zwar nicht unbedingt sollte (wegen Duden und so), aber eigentlich schon irgendwie darf (wegen YOLO und so).
In der Schweiz pflegen wir die direkte Demokratie. Das heisst konkret, wenn uns etwas nicht passt, so haben wir als Bürger die Möglichkeit, daraus eine Initiative zu basteln, über die das Stimmvolk dann an einem von vier Terminen im Jahr abstimmen muss, bzw. darf. Bei rund einem Dutzend solcher Abstimmungen jährlich wäre man doch eigentlich versucht, zu meinen, dass in den rund 170 Jahren, in denen es die Eidgenossenschaft bereits gibt, wenigstens einer auf die Idee gekommen wäre, eine „Bisou-Initiative“ zu lancieren.
Aber nein. Nie vorgekommen.
Alles muss man selber machen.
„Kannst du mir noch bitte das Schwizerli geben?“, hatte ich meine Mitbewohnerin gefragt, als wir gemeinsam in der Küche standen und irgendetwas Teigiges zubereiteten. Ich nahm ihren verwirrten Blick erst gar nicht wahr. Erst als das Schwizerli nach einer Weile noch immer nicht kam, bemerkte ich ihre Reaktion. „Das was?“, fragte sie verdutzt. Schwizerli, so sagt man diesen Dingern doch? Ich hätte beim besten Willen keinen anderen Namen nennen können, ja ich musste erst „Dinger für Teig“ googlen, um herauszufinden, wie die Schwizerli wirklich heissen.
Teigspateln.
Vor noch nicht allzu langer Zeit weilte eine Freundin von mir für ein Austauschsemester im Ausland. Ganz die gute Seele, die ich bin, beschloss ich, ihr ein Paket mit Dingen, die sie von zu Hause vermisst, zu schnüren. Ich fragte sie also nach ihren Wünschen und rechnete insgeheim schon damit, dass sie um Schokolade, Käse oder Ähnliches bitten würde. Doch weit gefehlt, denn meiner Freundin fehlte im Ausland nur eine Sache: Das Aromat.
Als ich vor einigen Wochen von meinen Ferien in die Schweiz zurückkehrte, wurde ich am Flughafen in Zürich von einem überdimensionalen Plakat begrüsst. „Switzerland is not a small country“, stand auf diesem Banner, das sich als Imagewerbung der Fluggesellschaft Swiss entpuppte, „It’s the heart of Europe“. Ich musste ob der Genauigkeit, mit der dieses Plakat die Schweizer Mentalität erfasste, ein bisschen schmunzeln. Keine Kühe, Uhren oder Schokoladentafeln hätten die Schweiz so treffsicher beschreiben können wie diese minderwertigkeitskomplexbehaftete Affiche, die mich nach meiner Rückkehr in meiner Heimat willkommen hieß. Meine Heimat, die nichts weniger ist, als das Herz von Europa.
Es ist Sonntagmorgen und mein prokrastinations-weltmeisterliches Ich macht sich endlich an diesen Artikel. Bis gerade habe ich noch am Überraschungs-Paket für euch gearbeitet, dass es zum 10-Jährigen von LangweileDich.net gibt. Denn als Dankeschön möchte ich […]