Mit „Mass Effect: Andromeda“ (Partnerlink) wurde kürzlich nicht nur ein neues Bioware-Rollenspiel veröffentlicht, sondern auch der vierte Teil der erfolgreichen Mass Effect-Reihe. Als eingefleischter Fan prüfe ich für euch, ob es ein gutes Spiel ist und in wie fern es den hohen Erwartungen gerecht wird.
Worum geht’s?
Die Menschheit hat auf dem Mars Teile einer außerirdischen Technologie entdeckt, die interstellares Reisen mittels Masseneffekt-Feldern erlaubt. So erschloss sich den Erdbewohnern eine riesige Galaxis mit vielen Alien-Völkern, die Schauplatz der ersten Trilogie war. Den Mitgliedern der Andromeda-Initiative reicht die bekannte Milchstraße aber nicht aus, getrieben von Entdecker- und Abenteuerdrang reisen so Zehntausende in die benachbarte Andromeda Galaxie. 600 Jahre später erwachen wir an Bord eines von vier Archeschiffen aus dem Kälteschlaf und sind da
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Doch in der neuen Heimat ist nichts, wie es sein sollte. Unser Raumschiff ist auf der Reise mit einer riesigen Weltraumwolke zusammengestoßen und wurde beschädigt, die Welten, die wir kolonisieren wollten, sind unbewohnbare Einöden und zu allem Überfluss treffen wir auf diesen Welten auf merkwürdige Ruinen (Relikte) sowie eine feindliche Alienrasse (genannt „Kett“) die an diesen Relikten interessiert ist. In dieser schwierigen Lage werden wir zum Pathfinder ernannt und müssen die Welten irgendwie bewohnbar machen und kolonisieren.
ME:A kann man als komplettes Reboot der Serie verstehen, das zu den Vorgängern – allein schon da es 600 Jahre später spielt – keinen Bezug hat. Das gesamt Spiel dreht sich darum, Planeten zu erforschen und Kolonien zu gründen.
Die Handlung von ME:A braucht anfangs etwas Zeit, entwickelt dann aber eine extreme Tiefe und ist sehr umfangreich. Schon kurz nach unserem Eintreffen in der Andromeda-Galaxie treffen wir auf unsere Vorhut. Deren Aufgabe war es eigentlich eine Weltraumbasis einzurichten und die Kolonisierung vorzubereiten. Doch auch hier kam es zu einem Zusammenstoß mit der Weltraumwolke, bei dem die gesamte Führungsriege der Initiative gestorben ist. Führungslos kämpften die Überlebenden bis zu unserer Ankunft mit Ressourcenknappheit, den Aliens und einer Meuterei. Außerdem fehlt von den übrigen drei Archen jede Spur. Später treffen wir auch noch auf freundliche Aliens, mit denen wir dann gemeinsam gegen die Kett kämpfen und das Rätsel um die Relikte klären.
Bei unseren Reisen treffen wir auf viele interessante Charaktere, davon sechs Begleiter, von denen wir jeweils zwei auf Missionen mitnehmen dürfen. Und wie bei Bioware üblich, ist die Interaktion mit unserem Team eines der Highlights. Jeder Charakter ist individuell und interagiert mit den übrigen Mitgliedern unserer Crew. So ist auf unserem Raumschiff immer was los.
Tatsächlich verbringt man ungefähr die Hälfte der Spielzeit in gut synchronisierten Dialogen oder Zwischensequenzen und folgt der insgesamt sehr spannenden Story. Richtig gut gelungen ist dabei die Verknüpfung aus Haupthandlung und Nebenmissionen. Praktisch jede Nebenaufgabe fügt sich nahtlos in die Handlung ein und oft ist es schwer zu erkennen, wo die Hauptquest endet und die Nebenmission beginnt. Diese Verknüpfung ist einerseits eine große Stärke des Spiels, aber leider auch gleichzeitig eine Schwäche.
Wie spielt es sich?
Für die meisten Missionen müssen wir die insgesamt sieben Story-Planeten erkunden. Da diese Gebiete teilweise riesig sind, kommen wir zu Fuß nicht weit – zum Glück haben wir mit dem Nomad einen fahrbaren Untersatz.
Die Steuerung ist an sich okay, aber zum Berganfahren müssen wir auf Allradantrieb umschalten und unseren Raketenantrieb verwenden. Leider ist auf den Planeten oft nicht erkennbar wo man lang fahren kann und wo nicht. So war ich oft in der Situation, dass ich versucht habe, einen Hügel hoch zu fahren, um dann festzustellen, dass das gar nicht geht und ich außen rum fahren muss. Knapp 25% der Spielzeit verbringt man im Nomad auf der Reise von Missionspunkt zu Missionspunkt bzw. der Suche nach einem Weg zwischen A und B – Pathfinding eben…
Denn durch die schiere Masse an Quests (nach ca. 30 Stunden hatte ich drei offene Hauptquests und 56 offene Nebenaufgaben) kombiniert mit den langen Fahrzeiten artet das Spiel dann doch häufig in Arbeit aus und gibt mir das Gefühl dass meine Zeit nicht respektiert wird. Hier wird dann auch die Verknüpfung zwischen Haupt- und Nebenmissionen zum Nachteil, denn oft ist nicht erkennbar welche Mission nur nettes Beiwerk ist, und wohinter sich am Ende etwas Spannendes verbirgt.
Hinzu kommt, dass die Planeten nicht wirklich toll gemacht sind, ich empfinde sie als leblos und langweilig. Das einzige, dass ich auf meinen Reisen entdecke, sind Ansammlungen von Gegnern, bei denen ich mich einfach nur frage, was die mitten im Nichts eigentlich machen. Die Alien-Ruinen sind am Anfang vielleicht noch spannend, da man aber auf jeder Welt drei Ruinen besuchen muss, kommt hier schnell Routine auf. Andere Spiele bieten da erheblich interessantere Welten.
Aber es gibt auch Positives zu berichten, denn die übrigen 25% verbringen wir in einem grandiosen 3rd Person-Shooter. Eine der größten Neuerungen ist das Jetpack, mit dem wir uns rasend schnell über das Schlachtfeld bewegen können. Damit ist ME:A im Gegensatz zu seinen Vorgängern kein Deckungsshooter mehr (auch wenn wir uns natürlich trotzdem verstecken können), sondern wesentlich actionlastiger. Die Kämpfe sind dabei im mittleren Schwierigkeitsgrad noch sehr einfach, womit man wahrscheinlich Leuten entgegen kommen möchte, die keine Shooterfans sind.
Auch die Charakterentwicklung kommt nicht zu kurz. In drei Kategorien haben wir die Wahl zwischen je 12 Fähigkeiten, etwa um Explosionen zu erzeugen oder Gegner in der Luft schweben zu lassen. Die Waffenauswahl ist zwar mit Pistole, Sturmgewehr, Scharfschützengewehr und Schrotflinte begrenzt, durch die Kombination mit den Fähigkeiten werden jedoch viele Spielweisen unterstützt. Außerdem gibt es unzählige Upgrades, die wir auf unseren Reisen finden oder selbst craften können, um unsere Ausrüstung zu verbessern. Das gilt allerdings nur für den Hauptcharakter, unsere Begleiter können wir nicht ausrüsten und auch die Skillbäume sind auf 6 Fähigkeiten begrenzt. Da kann man auch guten Gewissens im Spiel den automatischen Level-Aufstieg für die Begleiter aktivieren, was wirklich schade ist.
Zuletzt noch einige Worte zum Charaktereditor. Wir spielen entweder Sara oder Scott Ryder, deren Aussehen wir anpassen können. Leider konfrontiert uns ME:A mit extrem hässlichen Vorlagen und nur sehr beschränkten Möglichkeiten einen gut aussehenden Charakter zu erstellen. Zusätzlich sind die Gesichtsanimationen von sämtlichen NPC im Spiel eher suboptimal und erinnern teilweise an Marionettenfilme wie „Thunderbirds“ oder „Team America“.
Anfangs fand ich das sehr schlimm, letztlich war es aber doch nicht der befürchtete Immersionskiller. Die Situation ist vergleichbar, wenn man ältere Spiele mit ebenso veralteter Grafik zockt: Anfangs ist man entsetzt, nach einer Weile gewöhnt man sich aber an die grafischen Einschränkungen. Nur ist ME:A kein altes Spiel, sondern eine millionenschwere Triple-A Produktion im Jahr 2017.
Fazit
Bioware macht es mir wirklich nicht einfach, Mass Effect: Andromeda gut zu finden. Dabei ist es auf gar keinen Fall ein schlechtes Spiel, ganz sicher nicht. Es steht aber leider in Konkurrenz zu Spielen wie „The Witcher“ oder „Horizon“. Diese haben sich in Sachen Storytelling von Bioware inspirieren lassen, packen diese Geschichten aber erfolgreich in spannende offene Welten. Bioware gelingt dies, aus meiner Sicht, leider nicht. Die an sich spannende Story und die motivierenden Kämpfe werden mir viel zu oft durch langweiliges rumfahren auf den Planeten unterbrochen.
Sci-Fi-Fans, die viel Wert auf eine gute Story legen, Geduld mitbringen und über Grafikschwächen bei den Charakteranimationen hinwegsehen können, ja für die ist ME:A (erhältlich für PC, PS4 und Xbox One) zu empfehlen. Alle anderen sollten lieber noch warten. Bioware nimmt die Kritik der Spieler ernst und hat gerade angekündigt, das Spiel und insbesondere die Charakteranimationen zu verbessern.
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