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Das schwere zweite Album

Review: Kraftklub – In Schwarz


Review: Kraftklub - In Schwarz kraftklub_in-schwarz
Titel: In SchwarzReview: Kraftklub - In Schwarz ir?t=lannetwebloto-21&l=as2&o=3&a=B00KM67XHK
Artist: Kraftklub
Release: 12.09.2014
Genre: Indie-Rock
Label: Vertigo Berlin (Universal Music)
Urteil: Review: Kraftklub - In Schwarz rating_stars_35
Kurzum: Textlich stark, musikalisch ausbaufähig.

Anfang 2012 habe ich das Debüt von Kraftklub mit 4 von 5 Sternen vielleicht einen halben Stern zu gering bewertet. Das sage ich nur schon einmal eingangs, um die unterschiedliche Bewertung zwischen dem Erst- und dem Zweitwerk etwas offenkundiger zu gestalten. Denn auch wenn Kraftklub mit vielen musikalischen Gesetzen bricht, die eine haben sie artig befolgt: das zweite Album hat es schwer.

Klar, man kann nicht mehr mit frischem Sound auftrumpfen, weil man ihn mittlerweile schlicht kennt. Dennoch weiß Kraftklub vor allem mit Texten voller Ironie und intelligenten Abweichungen von der Norm auftrumpfen.

Track by Track

Der Start mit Unsere Fans (Musikvideo) ist bombastisch. Ein intelligenter Perspektivdreh, unterhaltsame Lyriks, rockiger Sound – das ist genau das, was wir alle von Kraftklub erhofft haben. Der stärkste Track der Platte und sicherlich ein absoluter Burner bei Konzerten. Wie bereits beim Vorgänger gibt es dazu immer wieder schöne Bezüge auf andere Tracks, wie der dezente Hinweis, dass ihre Fans nun alle inkonsequent nach Berlin gezogen sind. Auch das folgende Alles Wegen Dir birgt schön Zeilen, wie „Sogar irgendwie ganz gut, der neue Song von Beyonce, selbst die Frida Gold-Single ist – Nein, ist sie nicht!“. Musikalisch macht der Song auch nicht viel falsch und irgendwie ist es inhaltlich die Fortsetzung von Kein Liebeslied.

Wie Ich hat erste leichtere Töne im Intro parat, die jedoch schnell aufgebrochen werden. Insgesamt rollt der Track mit, kann jedoch nicht sonderlich herausstechen. Lediglich der Break gen Ende kann für eine kleine Verschnaufspause und Abwechslung sorgen. Zwei Dosen Sprite hat sich leider mit dem Titel keinen Gefallen getan. Ebenso kann der Refrain mich nicht wirklich überzeugen, was schade ist, da der Drive in den Strophen durchaus vorhanden ist. Dafür gibt es schöne textliche Elemente, wie den (verständlichen) Groll gegen Elektro-Discos.

„Ja von mir aus, dann nennt sich die Mucke halt ‚Deep House‘,
Aber dafür, dass hier niemand tanzt ist sie ziemlich laut,
Ich versteh‘! – kein einziges Wort, von dem, was du mir grade sagst,
ich nicke dich an und hoffe einfach, dass es keine Frage war.“

Track 5 nimmt sich dem scheinbar vorhandenen Trend in Hip Hop-Songs an, dass man „Bang“-Waffenlaute imitiert. Natürlich mit ironischem Dreh und einer ausdrücklich überzogen soften Ausführung. Die Schüsse in die Luft erhalten dadurch jedoch auch einen leicht kindlichen Charakter, der zwar unterhaltsam ist, mir aber musikalisch nicht ganz rein passt. Inhaltlich ist der Appell, sich Gedanken zu machen, bevor man pseudo-demonstrierend alleine an die Öffentlichkeit geht, durchaus gehaltvoll und gesellschaftsrelevant. Danach folgt eine Hommage an das „Forever Alone“-Meme. Eine Ode an die Singles und Einsamen da draußen, die das auch gar nicht so untoll finden. Auch hier ein sehr gelungenes Riff-Arrangement, das gepaart mit den Drums in der Strophe eine ungemeine Dynamik entfachen.

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Mein Rad ist eine abstrakte Darstellung des emotionalen Umgangs mit der Tatsache, dass die Ex-Freundin einen neuen Freund hat, sollte man diese Analogie treffen wollen. Leider nimmt der sehr simple Refrain jedoch auch hier deutlich Wirkung aus dem Song. Danach gibt es mit dem ersten Skit der Bandgeschichte eine rüde Pause vorm Proberaum. Ja, inhaltlich vielleicht ganz nett, mir fast zweieinhalb Minuten aber viel zu lang geraten. Das wird ein Dauer-Skip, der leider die Struktur des Albums arg stört. Blau nimmt sich den leicht adaptierten Gedankengängen an, die man durch den Genuss von Alkoholikern erhält. Inhaltlich wie musikalisch eher auf Füll-Track-Niveau.

Über das folgende Hand In Hand muss ich glaube ich nicht viel sagen. Der PR-Coup im Vorfeld der Albumankündigung hat wunderbar funktioniert und der Track an sich ist ein im Albumkontext sehr willkommenes rohes Stück Rock, das bisher etwas gefehlt hat. Einer der Top-Tracks auf der Platte. Meine Stadt Ist Zu Laut nimmt erneut auf sarkastische Weise die Sicht derer an, die man eigentlich damit kritisieren möchte. Dabei fühlt man sich musikalisch an die im Skit angebrachte Idee erinnert, mal eine Country-Gitarre einzubauen. Das funktioniert leider nur bedingt. Klar, eine musikalische Abwechslung vom sonst bisher teils sehr ähnlichen Sound, jedoch für mich der wohl schwächste Track. Ganz anders macht es Schöner Tag, das mit einem Knaller-Intro daher kommt, das beinahe in Metal-Richtung geht. Das Teil muss live ungemein abgehen. Und auch der Soundteppich auf Strophenebene weiß zu überzeugen – und dann kommt wieder der Refrain. Klar, dieser soll ebenso einen Kontrast zum düsteren Intro-Setting bilden, wie die inhaltliche Abstimmung zwischen wunderschönem Tag und Selbstmordgedanken. Jedoch ist er mir musikalisch erneut ein Dorn im Ohr. Dafür kann Casper als einziges Feature auf der Scheibe eine sehr stimmige Aggression in den Track reinbringen.

Deine Gang beginnt mit einem fast altrockerschem Intro und bricht wenigstens mal mit der sonst recht einheitlichen Songstruktur und beginnt mit dem Refrain. Inhaltlich zwar ein netter Schlagabtausch bezogen auf etliche Subkulturen, rein musikalisch meiner Meinung nach jedoch keine gelungene Auswahl für einen Abschluss-Track – oder überhaupt einen Albumplatz. Es folgen auf der Extended Edition noch drei Bonus-Tracks, die teilweise besser auf die Haupttrackliste gepasst hätten. Weit Weg ist musikalisch stark vorantreibend, auch wenn hier erneut der Refrain ausbaufähig ist. Gestern Nacht könnte eine wahre Party-Institution werden, gibt sie doch den ganzen Daheimbleibern die Motivation, lieber den Arsch vom Sofa zu nehmen, um nichts Episches zu verpassen. Und hier funktioniert es endlich, vom sonstigen Kraftklub-Sound eher in eine Hip Hop-Form abzuwandern, die an Fettes Brot erinnert. Und Irgendeine Nummer ist tatsächlich Selbiges für dieses Album, das passt als Bonus-Track.

Zusammenfassung

Nein, das ist kein schlechtes Album, das wir hier geboten bekommen. Gerade textlich haben Felix Brummer und Konsorten sehr intelligente und humorvolle Passagen mit viel Liebe zum Detail zu bieten. Musikalisch ist leider gerade im Refrain-Bereich zu oft Potenzial verschenkt, bzw. auch schlicht zu häufig das identische Muster befolgt worden. Dazu gibt es ungewohnt viele Füll-Tracks und ein absolut unbrauchbares Skit, die leider den Vergleich zu einem insgesamt sehr runden Debütwerk Mit K nicht standhalten können.

Urteil: Review: Kraftklub - In Schwarz rating_stars_35

Dennoch gibt es auch sehr viele starke Passagen und auch einzelne Tracks, die herausstechen und ihren Platz in der Bandgeschichte sicher haben werden. Daher habe ich mich dann doch dazu entschieden, nicht nur drei Sterne zu geben. Und auch live dürften viele der neuen Momente wunderbar funktionieren und die Clubs und Festival-Bühnen zum Beben bringen. Und genau das ist letztlich die Stärke der Chemnitzer und daher ist es umso schöner, dass sie nun endlich mehr Material haben, um ihre Fans und sich selbst ordentlich mit Unterhaltung zu versorgen.

Zum Abschluss noch neben der Tracklist der Song Schöner Tag (ft. Casper) im Stream, einfach, weil das Intro so verdammt stark ist:

Tracklist:

1 Unsere Fans 3:50
2 Alles Wegen Dir 3:29
3 Wie Ich 4:07
4 Zwei Dosen Sprite 3:47
5 Schüsse In Die Luft 4:09
6 Für Immer 3:01
7 Mein Rad 3:30
8 Vorm Proberaum (Skit) 2:28
9 Blau 3:53
10 Hand In Hand 2:53
11 Meine Stadt Ist Zu Laut 4:15
12 Schöner Tag (ft. Casper) 4:01
13 Deine Gang 4:03
14 Weit Weg [Bonus] 3:48
15 Gestern Nacht [Bonus] 4:01
14 Irgendeine Nummer [Bonus] 3:52
Gesamtlaufzeit: 47:28
Beitrag von: Maik Montag, 15. September 2014, 14:10 Uhr

8 Kommentare

  1. tobi says

    Keine Ahnung aber gerade den Füllertrack „Blau“ – find ich, ist einer der stärksten auf dem ganzen Album! Ansonsten geb ich dir im großen und ganzen recht! Man muss erst ein bisschen warm werden damit und gerade die Refrains versauen manchen Song!

  2. Maik says

    @tobi: liegt vielleicht daran, dass ich diese Art von „lustig über das Betrunkensein trällern“ über bin. :)

  3. tobi says

    :D mir gehts da gar nicht so sehr um den text, sondern viel mehr um die Gitarrenrythmen vom Lied ( leicht offbeat/ska) + dazu dieser schlagereske Refrain – man könnte schon fast meinen Heino trällert da den Refrain, aber irgendwie hats was ;)

  4. Maik says

    Stimmt, musikalisch passt es auch zumindest in der Strophe, aber bei mir scheint der „So überdreht, dass es wieder cool ist“-Dreh nicht stattgefunden zu haben. ;)

  5. Melina says

    Muss dir in so ziemlich allen Punkten recht geben!
    Ich bin eigentlich etwas enttäuscht von dem Album, vor allem weil mir als alte Metal-Liebhaberin das Rockig/Rotzige aus „Mit K“ total fehlt – Immer diese poppigen Refrains find ich unpassend und hätte auch gehofft es kommt mehr sowas in die Richtung wie „Unsere Fans“.
    Was ich noch gern ergänzen würde ist, dass mir auch die Themen, die in den Songs verarbeitet werden, nicht so gut gefallen. Ich hätte wieder gern mehr „Lebensphilosophie“ dabei, oder diese „Sche*ß auf alle“ – Songs wie „Melancholie“ oder „Liebe“ – die konnte man bei schlechter Laune einfach perfekt mitgröhlen!
    Aber find’s echt super,dass du mal sagst, was Sache ist. Kraftklub ist immer noch total gut, klar, aber hätte ihnen noch mehr zugetraut.

  6. Maik says

    @Melina: bin immer happy, wenn Leute meine Meinung unterstreichen (und ich mich nicht als verhasster Kritiker mit total eigensinnigem Musikverständnis fühlen muss ;) ). Und ja, thematisch war hier und da sicher auch mehr drin, habe es immer versucht, möglichst ironisch oder doppeldeutig zu dechiffrieren (s. Mein Rad).

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