TITEL | Hurra die Welt Geht Unter | ARTIST | K.I.Z. | |
RELEASE | 10.07.2015 | GENRE | Hip Hop | |
LABEL | Vertigo Berlin (Universal Music) | URTEIL | ||
KURZUM | Bastion der Hoffnung deutscher Hip Hop-Texte. |
Zuletzt kam ich leider immer nur zu meinen monatlichen Kurz-Reviews, was zum einen am Timing „großer“ Alben lag, zum anderen an meiner fehlenden Zeit. Jetzt wird es aber mal wieder Zeit: seit gestern läuft bei mir die neue K.I.Z.-Platte auf Dauerschleife wie Rennfahrer beim 24-Stunden-Rennen. Und was soll ich sagen: die fünfte Platte der Herren aus Berlin ist gut geworden! Da hat sich die ungewohnt lange Wartezeit gelohnt.
Track by Track
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Platte gottgleich beginnt. Da dürft ihr gerne Tarek, Nico, Maxim und DJ Craft fragen, die können das bestätigen. Machen sie über fünf Minuten im Track Wir. Epischer Einstieg, der Gänsehaut-Stimmung gepaart mit Dauerschmunzeln verursacht und deutlich ernster und ruhiger demonstriert, dass die wahren Rap-Götter wieder da sind (im Vergleich zu den vorherigen Platten).
„Es liegt an eurem geistigen Fassungsvermögen, wenn ihr bei K.I.Z. nicht lacht, ihr Amöben!“ (Nico)
Auch mit Geld liefern die Jungs etliche zitierfähige Sprüche, popkulturelle Referenzen und Gesellschaftskritik. Guter Flow, mir gefällt vor allem, dass die drei mal wieder verflechtet rappen, anstatt ihre normale Drei-Mann-Aufteilung in den Strophen zu vollziehen. Einer meiner Lieblings-Songs auf dem Album. Glücklich und satt ist ein reiner Tarek-Track, der mit gutem Rhythmus im Sprechgesang daher kommt. Gibt bessere auf dem Album, hat aber Charakter.
Als Viertes folgt die erste Auskopplung Boom Boom Boom. Mit der bin ich zwar mittlerweile etwas wärmer geworden, aber den Refrain kann ich noch immer nicht ab. Eine Prise Euro-Dance zu viel, aber okay. Beim AMG Mercedes gefällt mir die sprachliche Ausgefeiltheit im Refrain sehr, das passt akustisch sehr schön. Freier Fall verarbeitet 5.732 Stunden voller Liebeskummer. Ja, das gibt es auch bei K.I.Z. Bedachter Text auf ruhigem Beat, ganz ohne hahne(nkampf)büchende Ironie.
Aber es gibt eben auch Berliner Nachtleben. Ariane ist „so Berlin“, dreckiges Abenteuer am Wochenende, sauberes Arbeiten unter der Woche. Ernste Geschichte, wunderbar erzählt von Nico in einem sehr atmosphärischen Track. Natürlich inklusive obligatorischem „Schrei-Berlinern“. Hach…! Noch ernstere Töne gibt es bei Käfigbett zu hören, ein Maxim-Track über die Entfernung zwischen Kind und Eltern. Gerade im Refrain ein harter Toback, den man sich nicht wirklich traut, mitzugröhlen…
Ein Audio-Dating-Tape liefern die Jungs mit Verrückt nach Dir ab. Deutlich schmissigerer Song als bisher, erinnert an einzelne Tracks von Urlaub fürs Gehirn. Dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch eine Single werden, denke ich. Sicherlich auch Party-Potenzial bringt Ehrenlos, alleine schon aufgrund des Refrains.
„Heute Abend wird ehrenlos.“
Kurioserweise kommen die Features allesamt am Ende der Platte zum Vorschein. Bei Superstars hilft Sefo beim gesungenen Refrain. Sehr drängender Beat, gut abgemischter Refrain, geschichtlich vielleicht nicht das Beste von der Platte, aber durchaus gefällig insgesamt. Die zwei absoluten Highlights gibt es zum Schluss. Bei Was würde Manny Marc tun macht nicht nur er, sondern auch Audio88 und Yassin mit. Das ernste Thema: Misshandlungen in den eigenen vier Wänden. Gruselig realistisch erzählte Einzelfälle, die man absolut nicht in der Welt wissen möchte. Aber es gibt sie eben. Konterkariert mit einem Ballermann’schen Party-Refrain, der demonstriert, wie sehr die Gesellschaft einfach wegschauen oder besser wegtanzen kann. In der Rummelbumms-Disko ist alles vergessen.
Zum Schluss dann noch der vermutlich textlich stärkste Track der Platte. Bei Hurra die Welt Geht Unter gibt es nicht nur den tollen Gesang von Henning May zu hören (ja, mittlerweile habe ich mich an den Refrain gewöhnt, die Stimme ist eh Hammer!), sondern auch bissigen, satirischen, ironischen und gewichten Text zu hören. Das ist das moderne K.I.Z., das eben jeder verstehen und schätzen sollte.
URTEIL:
Wenn sich der Untergang der Welt so anhört, können wir tatsächlich alle „Hurra!“ schreien. Zwar lässt K.I.Z. musikalisch nicht unbedingt die Innovations-Puppe aus dem Sack, überzeugt aber vor allem mit textlichen Tiefgang, der einige überraschen mag, weil er vielleicht einen Deut direkter formuliert ist, als er ironisch verpackt eigentlich schon seit zehn Jahren die Ohren der Hörer und Hirne der Fans erreicht.
Die Hits der Platte sind kurioser Weise alle recht „ruhig“ geraten, was das Musikalische angeht. Allgemein hätte es an der Front gerne mehr Spielerei und Experimentieren geben dürfen. Auch etwas mehr Aggressivität und Stumpfheit wie bei alten Tracks á la „Ellenbogengesellschaft“ kann gerne wieder mit dazu. Dafür ist sie textlich vielleicht nicht die witzigste, dafür die wichtigste und beste der Bandgeschichte. Gefällt mir durchaus besser als Urlaub fürs Gehirn. Hatten ja auch vier Jahre Zeit zum Ausarbeiten die Jungs. Und jetzt freuen wir uns alle auf den Weltuntergang…
Tracklist:
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Tourdaten:
10.07.2015 Straubenhardt (Happiness Festival) |
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„Noch ernstere Töne gibt es bei Käfigbett zu hören, ein Nico-Track über die Entfernung zwischen Kind und Eltern. Gerade im Refrain ein harter Toback, den man sich nicht wirklich traut, mitzugröhlen…“
Der Track ist von Maxim … https://youtu.be/IX9SKjQ9KnI?t=1m40s
Wenn man eine Review verfasst ,sollte man schon wissen von wem die Tracks sind .
@Alscurr: Danke für den Hinweis, beim Schreiben durcheinander gekommen, ist NATÜRLICH Maxim…
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