TITEL | Teenager Vom Mars (Partnerlink) | ARTIST | Fettes Brot | |
RELEASE | 04.09.2015 | GENRE | Hip Hop | |
LABEL | Fettes Brot Schallplatten (Groove Attack) | URTEIL | ||
KURZUM | Irgendwie dann doch erstaunlich irdische Unterhaltung… |
Keine Musik von einem anderen Stern sondern ganz irdische Klänge fabriziert das Hamburger Trio Fettes Brot seit nunmehr über zwei Jahrzehnten erfolgreich in der deutschen Hip Hop-Szene. Doch zum achten Studioalbum hat es sich plötzlich heraus gestellt: Aliens vom Mars haben Kontrolle über die Körper und vor allem Zungen von Dokter Renz, König Boris und Björn Beton gewonnen. Die
Track by Track
Alles beginnt mit dem sehr stimmungsvollen Titeltrack Teenager vom Mars (Musikvideo). Ein bisschen Retro-Schick in Form von Radio-Durchsagen, futuristische Laser-Sounds aus dem All und einfach jede Menge Tempo. Ganz nebenbei einige wunderbar wichtige und doch verspielt eingebaute Textzeilen wie „Im All wissen es alle, ihr könnt Fremde hier nicht leiden“. Definitiv einer der tollsten Tracks der Platte. K.L.A.R.O. kommt da schon etwas gechillter daher. Ein bisschen erinnern die Strophen an österreichische Smoothness á la Bilderbuch. Für mich aber eher ein netter Nebentrack, der sich musikalisch wie textlich hinter vielen anderen auf dem Album anstellen muss.
Anders schaut es beim Konzept-Song Mein Haus aus. Der macht aufgrund seiner Songstruktur mit allerlei aus Vierzeilern gebauten Gedankenhäusern und drängendem Beat viel Spaß. Dazu ein funkiger Refrain – passt! Das folgende Von der Liebe (Musikvideo) kennt ihr ja auch schon hinlänglich aus dem Radio. Sehr stark konzipierter und arrangierter Sound, der rund wirkt wie Callis Bauch. Moderner Hip Pop vom Feinsten. Mit Gegenmodell fühlt man sich schnell an Tracks von Deichkind erinnert. Suboptimale Gesellschafts-Situationen werden angeführt, ausgeführt und vor allem vorgeführt. Vieles ist heutzutage Usus und doch nicht optimal – öfter sollte man sich zumindest Gedanken über ein Gegenmodell machen. Auch wenn der Refrain etwas „weinerig“ geraten ist, passt es durchaus zur „Stock-Fundus-Optik“, die einem in den Sinn schießt.
Du bist the Shit ist mit Sicherheit ein Shirt-Motiv auf kommenden Konzerten der Brote. Toller Beat, starke Aussage und gelungene Songstruktur. Wird jedoch nach einigen Hördurchläufen etwas langweilig, wenig Evergreen-Charakter. Ganz schlimm ist es da mit Alle hörn jetzt Schlager! Der Song hat ziemlich schnell einen Skip-Reflex in mir ausgelöst. Dabei spricht König Boris darin ziemlich viele wahre Dinge an. Musikalische und andere Geschmacksverirrungen, die gegen den gesunden Menschenverstand einer ganzen Generation gehen. Aber der Refrain ist leider ähnlich nervig wie Schlager – und doch nistet er sich im Kopf ein und will nicht mehr heraus. Habe oft einige Passanten mit einem gemurmelten „Alle hörn jetzt Schlager!“ irritiert…
Bei Eure Autos irritiert nicht zuletzt die Refrain-Zeile „Wir fressen eure Autos auf!“. Anti-Automobil-Agenda auf einem dreckigen Beat mit einer Atmosphäre wie in einer vor Jahren verlassenen Garage. Ein seltsames Song-Konstrukt, das mir zwar eher weniger gefällt, aber Zeilen wie „Im Strahl der Straßenlatern‘ – liegt ein silberner Stern“ machen das wieder gut. Kann zumindest verstehen, weshalb manche den Song richtig abfeiern dürften. Boyfriend spielt vor allem mit dem Gedanken der Zeit. Eine aus der Zukunft erzählte Geschichte mit Blick auf die Vergangenheit im Jahr 2017. Gibt an manchen Punkten wunderbar zu denken, welche Andeutung das nun sein soll, bleibt insgesamt aber doch etwas auf einem etwas verstaubten und mit A-Ha-Revival-Sound angehauchten Schimmer kleben. Deutlich stärker nach Vorne geht da Meine Stimme, das auch einige Unterstützung erfährt. Die Langzeitbeziehung zwischen Sänger und Stimme macht nicht nur textlich jede Menge Spaß sondern bringt mit Features wie Fatoni, Felix Brummer und Kryptik Joe haben sich charakterstarke Stimmen eingefunden. Schade, dass Dendemann nicht dabei ist, das hätte noch super gepasst meiner Meinung nach. Schönes Ding!
Ganz schön low wird es dann nicht unbedingt musikalisch, aber inhaltlich. Quasi das „Gegenmodell“ zu „Du bist the Shit“. Energetischer Song, der weder einen Ausreißer nach Oben noch nach Unten ausmacht. Interessanter wird es bei Emmely. Eine Hommage an die mittlerweile verstorbene Kassiererin, die zwei Flaschenpfandbons im Wert von 1,30 Euro für sich eingelöst hat, die ihr nicht gehörten. Ein musikalisches Statement gegen das Gerechtigkeitssystem Deutschlands, das gerade finanziell Schwachen den Weg enorm erschwert. Eine emotionale Geschichte, die standesgemäß erzählt wird – inklusive juristischer Beurteilung durch MC Fitti. Natürlich darf es nicht so „down“ enden. Mit Das letzte Lied auf der Party könnte Fettes Brot mal wieder einen Party-Song geschrieben zu haben, der auf etlichen Parties (vermutlich zum Ende) gespielt werden dürfte. Tolle Hommage an die Emotionalität, die man „ein bisschen zu voll“ in die Musik im Morgengrauen legen kann. Klasse!
Urteil:
Wie so oft liefert das Hamburger Trio ein enorm abwechslungsreiches Album vor. Gesellschaftskritische Zeilen wechseln mit humoriger Ironie ab oder vermischen sich und wissen selbst bei ernsten Themen stets zu unterhalten, anstatt ausschließlich herunter zu ziehen. Unterhaltung war eben schon immer das A und O bei Fettes Brot und gegen eine gute Dreiviertelstunde Langeweile seid ihr mit Teenager vom Mars auf jeden Fall versorgt! Am Ende bleibt es aber ein „irdischer Spaß“, der zwar eine Modernisierung des Fettes Brot-Sound darstellt, aber durchaus einige verspielte außerirdische Ideen und Sound-Experimente hätte haben dürfen. Die ganz großen Versuche lässt Fettes Brot nämlich sein. Dafür sind eure Parties nun um zwei, drei Songs reicher.
Tracklist:
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Tourdaten:
20.10. CH-Zürich, Komplex 457 |
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