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Ich persönlich muss Musik öfter hören, um sie richtig einschätzen zu können. Gute Musik entwickelt sich, man muss sie verstehen lernen, sich teils gar in sie hinein arbeiten, wenn sie etwas komplexer ausfällt. Dafür hat man ab diesem Zeitpunkt durchaus länger was davon, zumindest im Vergleich zu den Songs, die man aufgrund eines catchigen Refrains direkt liebt, nach dem vierten Hören aber schon über hat.
Umso schwerer ist es mir gefallen, das am 17. Mai erscheinende neue Studioalbum von Daft Punk zu bewerten. Denn das durfte ich (genau wie andere Kollegen, bspw. Marc) nur ein einziges Mal hören. Am 22. April saßen wir gemeinsam im Mojo Club an der Reeperbahn und haben in 74 Minuten 13 Tracks mit voller Konzentration gehört. Und genau das macht die Bewertung so schwer: es sind einige richtig episch aufgebaute Bretter dabei. Aber nach acht Jahren Warten möchte man ja schließlich auch keine Einheitskost erhalten, keinen Schnellschuss um die Massen mit frischem Content zu befeuern. Daft Punk möchte nachhaltig sein, da ist alles durchdacht.
Bis hin zur Presse, die gesammelt erst am heutigen 1. Mai mit der Berichterstattung loslegen darf. In bester Manier der 70er und 80er Jahre sollen auch die analogen Medien ihre Rolle spielen. Zugespitzte Mediaarbeit um den PR-Hype nochmals anzukurbeln. Letztlich haben wir mit Random Access Memories erst das vierte richtige Studioalbum der beiden Franzosen, die seit Anfang der Neunziger aktiv sind. Da ist es kein Wunder, dass alle heiß auf neue Songs sind.
Jetzt aber zur Platte: der Opener Give Life Back To Music startet durchaus brachial, bietet uns kurz darauf einen für die kommende Stunde durchaus repräsentativen Funk-Rhythmus und schon bald verzerrte Computerstimmen – hach, wie damals! Allerdings bleibt der Track vielmehr ein langes Intro oder ein chilliger Hintergrundtrack zu einer Frühlings-Grillgartenparty. Noch loungiger und entspannter wird es bei The Game of Love, das teils etwas einschläfernd wirkt, dafür aber hier und da wie die verlangsamte Intromusik aus Knight Rider klingt. Alles irgendwie noch Aufwärmen…
Doch dann wird es ernst und mit Giorgio by Moroder erscheint einer der besten Tracks der Platte. In eine Restaurant-Atmosphäre hinein erzählt uns Hansjörg „Giorgio“ Moroder seine musikalische Geschichte. Ein Traum, Gitarrist zu werden, der Anfang der Siebziger in Deutschland beginnt, passend setzt im Song der Beat ein. Synthesizer kommen als „Sound of the future“ hinzu, es wird energetischer. Ein cooles Keyboardsolo und E-Orgel-Töne schaffen die akkustische Geburt ehe die Drums einsetzen und einen richtigen Kick geben. die musikalische Reise endet in der Moderne: Scratches und E-Gitarre komplettieren das Orchester, und am Ende bleibt der Bass. Ein richtig starker Konzeptsong. Nur schade, dass der Bass nicht den nächsten Song überleitet… Der beginnt nämlich mit Piano-Tönen. Durchatmen angesagt, mehr oder weniger ein Zwischenspiel.
Instant Crush bietet ein cooles E-Gitarren-Solo sowie einen mitreißenden Refrain. Danach folgt mit Lose Yourself to Dance der erste Auftritt von Pharell Williams. Der N.E.R.D.-Frontmann und Neptunes-Produzent hat es tatsächlich geschafft, eine Art drittes Gesicht dritter Kopf für das Album zu werden. Ein funkiger Beat, ein paar nette Shoutouts, aber der Ausruf „Lose Yourself To Dance!“ wirkt teils noch etwas verzweifelnd. Weil so richtig verlieren kann ich mich noch nicht.
Mit Touch wird es erneut erzählerisch und epochal. Nahezu außerirdische Klänge werden jäh von Paul Williams unterbrochen. Von Krach zu Stille zu Vocals zu einem Wachküssen des Sounds. Erneut viel Storytelling in ausufernder Klangkulisse. Erneut entfaltet sich der Sound, wird immer komplexer bis hin zu sphärischen Klängen und einem Kinderchor, der „Love Is The Answer“ predigt. Himmlisch oder vielleicht doch einen „Touch“ too much…
„If we’re doin‘ it right, everybody will be dancing tonight“
Mit Fragments of Time folgt dagegen der zweite Radiotaugliche Track, der meiner Meinung nach durchaus die nächste Single werden könnte. Das Todd Edwards-Feature gibt sich peppig und kommt mit ungewohnt konservativer Songstruktur daher. Ein bisschen Ordnung und häppchengerechte Kost, die gerade sehr willkommen ist. Doin‘ It Right ist minimalistisch aber durchaus cool anzuhören. Doch die wiederholte Aussage „If we’re (oder „you’re“, konnte es nicht ganz heraus hören) doin‘ it right, everybody will be dancing tonight“ wirkt teils etwas komisch, weil bislang kaum Tracks dabei waren, zu denen ich sofort lostanzen wollte.
Abschluss bietet der Track Contact, in dem uns Astronauten mit ins All nehmen. Erneut ein epischer Aufbau im Klang, der vor allem mit richtig gut gespielten Drums aufwarten kann. Am Ende verliert sich der Song dann aber erneut in einer Art Urrauschen, was durchaus anstrengend für das Ohr wird. Die finalen Kontaktgeräusche zu/von Aliens wirken am Ende auch eher wie ein Störgeräusch. Und plötzlich ist alles vorbei, etwas unmelodiös.
Urteil:
Und dann sitzt man da und weiß nicht genau, wie man das Gehörte nun finden soll. Das Ding ist schwere Koste, die die Journalisten zunächst innerlich verarbeiten müssen. Für mich persönlich verlieren sie sich teils etwas zu sehr in akkustischen Experimenten. Ich liebe so etwas als Bestandteil von Platten, aber dieses besteht zu 80 Prozent daraus. Dazu ist leider kein richtiger Faden erkennbar, vieles wirkt etwas zusammen gewürfelt. Und ich bin ganz ehrlich: ich bin mehr die Radiohure. Mir fehlen Tracks wie One More Time, Harder Better Faster Stronger, Aerodynamic oder Around The World. Klar, etwas moderne und fetziger, aber eben in der Richtung. Ähnliches findet man leider nur zwei Mal auf dem Album.
Dafür überzeugt es mit jeder Menge Funk und vor allem einem richtig genialen Kracher, der Storytelling mit Musik vereint. Klar, überhöhte Erwartungen bei all dem Hype, dazu die nur einmalige Möglichkeit, das Album zu hören, aber ich bleibe dabei: da war durchaus mehr drin. Und doch werden etliche Dance-Jünger das Album abfeiern.
Abschließend noch die erste Single im Stream und die Tracklist für euch.
Tracklist:
1 | Give Life Back To Music | 4:34 |
2 | The Game of Love | 5:21 |
3 | Giorgio by Moroder | 9:04 |
4 | Within | 3:48 |
5 | Instant Crush (featuring Julian Casablancas) | 5:37 |
6 | Lose Yourself to Dance (featuring Pharrell Williams) | 5:53 |
7 | Touch (featuring Paul Williams) | 8:18 |
8 | Get Lucky (featuring Pharrell Williams) | 6:07 |
9 | Beyond | 4:50 |
10 | Motherboard | 5:41 |
11 | Fragments of Time (featuring Todd Edwards) | 4:39 |
12 | Doin‘ It Right (featuring Panda Bear) | 4:11 |
13 | Contact | 6:21 |
Gesamtlaufzeit: | 74:24 |
Daft Punk fand ich zu Homework-Zeiten höchstspannend, aber mittlerweile ist für mich eher durchschnittliche House/Funk-Musik mit bemerkenswert gutem Marketing.
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