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Eine andere Sache, die mir aufgefallen ist: In „The Fisher King Blues“ singst du über eine Legende, mit der ich ehrlich gesagt nicht so gut vertraut bin, aber offenbar gibt es da eine Verbindung zu einem Gedicht von T.S. Eliot [Anm.: gemeint ist „The Waste Land“], den du ja schon früher mal referenziert hast…

Ja, ich bin ein Langzeit-T.S. Eliot-Besessener! Und der Fischerkönig ist Teil einer Legende, die ich mag – es ist es eine ziemlich große Legende mit vielen verschiedenen Geschichten, aber allein die Idee eines Königs, der über ein verlorenes Königreich herrscht, das ausgestorben ist… Kennst du die Battersea Power Station?

Ja.

Dann weißt du, dass das eine Ruine ist. Das finde ich so großartig daran: Battersea ist eine der bekanntesten Landmarken in London, aber es ist kaputt, es funktioniert seit gefühlt 50 Jahren nicht mehr, aber sie wissen nicht, was sie damit anfangen sollen. Und ich bin eines Tages mit dem Zug daran vorbeigefahren, man fährt mit jedem Zug daran vorbei, und dachte plötzlich: Wenn der Fischerkönig in London leben würde, dann würde er in der Battersea Power Station leben.

Ich mag diesen Song echt gerne, lustiger weise bin ich mir aber selbst nicht ganz sicher, wovon er eigentlich handelt – oder ich könnte es dir zumindest nicht in einem kurzen Satz erklären, wie ich es bei den meisten anderen Songs könnte. Und das ist etwas, was ich daran mag, ich bin von dem Song genau so fasziniert wie jeder andere. Man könnte vielleicht sagen es handelt davon, wie Menschen sich wiederholen und wie kaputt sie sind… aber es ist lustig: Jemand hat mir erzählt, dass er diesen Song sehr deprimierend findet, was ich gar nicht nachvollziehen kann. Ich finde es recht liebenswert, wie Menschen durchgängig die gleichen dummen, verdammten Idiotenfehler machen, Generation für Generation.

Nun, ich kann sehen, warum man das deprimierend findet: In den letzten Zeilen heißt es „the world will not shrug all that much at our passing“…

Oh, das… ja (lacht). Das ist es: Ich bin bekanntermaßen Atheist und die Leute fragen mich, ob das denn nicht deprimierend ist. Und ich finde: Nein, überhaupt nicht, es ist ein durchweg befreiendes Konzept, weil du genau feststellen kann, wie viel Zeit du hast, um etwas zu erreichen. Du kannst anfangen und es durchziehen anstatt es zu verschieben und dir das Jenseits vorzustellen. Wegen der Zeile „the world will not shrug all that much at our passing“… es gibt eben keinen geheimen, magischen Grund, warum wir existieren, also sollte man das Beste aus dem machen, was man hat.

kurzweil-ICH: "Ich will mich nicht langweilen" - Frank Turner im Interview Interview_Turner_03

(C) Graham Smith

Ein anderer Song, der für mich wirklich heraussticht, ist „Broken Piano“, als Schlusstrack, der etwas ungewöhnlich für dich ist. Mit dem Falsett-Gesang und dem Schlagzeugschema…

Das ist vermutlich mein Lieblingssong auf dem Album, ich bin da besonders stolz drauf. Er ist anders, ich habe einen großen Abschnitt in meiner Musiksammlung und meinem Geschmack, der für Bands wie „Godspeed You! Black Emperor“, „Sigur Rós“ und andere Post-Rock-Geschichten von Labels wie „Cranky Records“, „Constellation Records“ und so reserviert ist.

Der Anfang des Songs ist die Mikrowelle in der Küche meiner Ex-Freundin, sie summt in einem perfekten A6-Akkord – es ist natürlich nicht wirklich diese Mikrowelle, aber es ist dieser Akkord. Ich habe einfach angefangen mit der Mikrowelle zu singen, als ich dort ausgezogen bin… nicht, dass ich da jemals offiziell eingezogen war, aber ich habe meinen Kram zusammengesucht und bin raus. Es ist außerdem mein Lieblingstext des Albums; auch wenn das sehr ungewöhnlich für mich ist, aber ich habe ihn zuerst als Gedicht geschrieben bevor er ein Song wurde – normalerweise schreibe ich immer mit einer musikalischen Grundidee im Hinterkopf. Zudem ist die erste Zeile ein Verweis auf ein Lied namens „Summer Is Icumen In“, das älteste aufgeschriebene englische Lied, aus dem 13. Jahrhundert, und die erste Zeile lautet „When I walked out one morning fair“. Wie du siehst, viele verschiedene Ideen in einem Song…

Die Aufnahmen des Schlagzeugs am Ende war wirklich spaßig, weil Rich Costey, der Produzent, am Anfang sagte: „Ich weiß echt nicht, wie das klingen soll“. Und ich sagte: „Es soll klingen wie eine Armee von Uruk-Hais, die an den Toren von Minas Tirith stehen und auf die verdammten Trommeln einschlagen“, woraufhin er meinte: „Du bist der größte Geek, den ich jemals getroffen habe!“ (lacht). Bei der Eröffnung der Olympischen Spiele gab es auch diese riesige Armee aus Drummern, das klang großartig, vermutlich hatte das ebenfalls Einfluss darauf.

Was bei diesem Song lustig ist: Manche Leute lieben ihn, andere hassen ihn total. Einige Leute, interessanterweise eher die Punkrock-Typen, sagen so etwas wie „Was zur Hölle ist das?“ und weiter „Das klingt wie Coldplay“. Ich denke mir irgendwie: Wenn die einzige Person, die du jemals im Falsett hast singen gehört, Chris Martin ist, dann sagt das einiges mehr darüber aus, wie breit dein Musikgeschmack ist als es über mich aussagt… Aber scheiß drauf, ich mag Coldplay, sie sind eine gute Band, aber ich weiß nicht, ob ich sie an die erste Stelle der Einflüsse für diesen Song stellen würde (lacht).

Beim Hören des gesamten Albums fällt eine Sache besonders auf: Das Zusammenspiel mit den „Sleeping Souls“ klingt deutlich besser als je zuvor. Waren sie dieses Mal mehr am Songwriting beteiligt?

Ja, schon, der Standardablauf für jedes Album seitdem wir zusammenspielen, also seit „Poetry of the Deed“, ist: ich schreibe die Songs, bringe sie als Akustikversionen mit Gesang zur Band und wir arbeiten sie zusammen aus. Und ich habe meistens ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie ein Schlagzeugrhythmus klingen soll und so etwas… aber: sie sind alle bessere Musiker an ihren Instrumenten als ich, es ist also sinnlos, wenn ich Matt sage, wie er das Piano spielen soll, weil er das einfach viel besser kann als ich.

Jeder bringt dann seine eigenen Ideen ein, für die Arrangements zum Beispiel, wir reden darüber und am Ende haben wir ein Ergebnis. Aber ja, du hast Recht, wir sind darin besser geworden. Ich würde sagen – und das ist eben so viel Selbstkritik wie alles andere –, dass in der Vergangenheit hin und wieder Egos aufeinander krachten, wer bei welchem Teil das letzte Wort hat und so. Jetzt fühlt es sich hingegen so an, dass jeder das Beste aus dem Song herausholen will, egal wer was vorgeschlagen hat.

Es gibt zwei Titel auf dem Album, die tatsächlich von einem der Jungs mitgeschrieben wurde. „Oh Brother“ wurde zum Beispiel im Prinzip von Matt geschrieben, die gesamte Musik stammt eigentlich von ihm. Es ist so, dass jeder in Band sein Soundcheck-Riff hat, wenn du im Soundcheck dran bist, dann spielst du immer die gleiche verdammte Sache. Ich kann dir heute noch sagen, was Ben, der Drummer von „Million Dead“ [Anm.: Turners frühere Hardcore-Band], im Soundcheck gespielt hat, das wird mich immer begleiten… (macht Drum-Geräusche). Wie dem auch sei: Matt spielte immer die gleiche Piano-Spur und irgendwann hab ich ihn gefragt, was das ist. Ich dachte, das sei aus irgendeinem Song, aber er meinte nur: „Oh, das ist nur so etwas von mir“. Und es ist wirklich verdammt gut und nach einer Weile dachte ich mir, dass es doch dämlich sei, ganz militant zu sagen „Ich schreibe die Songs“ und dieses großartige Stück Musik in der Luft hängen zu lassen, nur weil ich vielleicht ein verdammtes Ego-Problem damit habe, die ganze Musik selbst zu schreiben – und deswegen haben wir es dann auf die andere Art gemacht.

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