kurzweil-ICH: "Ich will mich nicht langweilen" - Frank Turner im Interview Interview_Turner_01

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Gut einen Monat ist es mittlerweile her, dass Frank Turners fünftes Album „Tape Deck Heart“ erschienen ist – und in seiner Heimat Großbritannien gleich mal auf Platz 2 der Charts einstieg. Überhaupt kann sich der 31-Jährige kaum über ausbleibenden Erfolg beklagen: Im Frühjahr 2012 spielte er als Headliner in der ausverkauften Wembley Arena vor etwa 12.000 Zuschauern, im Sommer stand er gemeinsam mit seiner Begleitband „The Sleeping Souls“ wenige Minuten vor der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele inmitten des Stadions und performte drei Songs. Vor kurzem dann jedoch das genaue Gegenteil: Zur Promotour für das neue Album spielten Turner und die Souls in kleinen Clubs, unter anderem im „Bi Nuu“ in Berlin. Dort traf ich ihn zum Interview.


Frank, auf deinem neuen Album ist ein Song namens „Polaroid Picture“. Vor ziemlich genau vier Jahren haben wir uns in einem Hotel in Düsseldorf über dein damals aktuelles Album „Poetry of the Deed“ unterhalten – und bei der Gelegenheit habe ich ein Polaroid von dir gemacht…

(lacht) Woah, da sehe ich aber unverbraucht aus, oder? (Pause) Wenn ich nur mal darüber nachdenke, was alles passiert ist, seitdem dieses Foto gemacht wurde… großer Gott!

Wenn du gerade dabei ist: An welche Momente seitdem erinnerst du dich denn am liebsten?

Hm, ich glaube jede Albumveröffentlichung ist für mich eine große Sache, nicht nur weil es für sich genommen eine große Sache ist, sondern weil ich autobiographisch schreibe und jedes meiner Alben ein Schnappschuss mehrerer Jahre ist. Wenn ich also über das neue Album nachdenke, dann erinnere ich mich daran, was in den letzten Jahren passiert ist und finde mich an den Orten wieder, an denen die Dinge passiert sind.

Außerdem war der Auftritt in Wembley natürlich großartig, die Olympia-Eröffnung war großartig, wir haben auf den Hauptbühnen von Festivals gespielt, waren auf dem Cover von Magazinen und der ganze Scheiß – alles davon war ziemlich toll.

Eine andere Sache, die seit diesem Foto passiert ist, ist möglicherweise das Beste was mir als Musiker jemals passiert ist: 2011 habe ich in Hamburg bei ein paar Songs Gitarre für The Weakerthans gespielt. Und das war das Größte, was mir vermutlich jemals passiert ist, weil sie meine Lieblingsband sind. Ich bin an dem Abend von der Bühne gekommen und habe einem Freund gesagt, dass ich jetzt sterben kann, so in etwa „das war’s, ich bin fertig“.

Du sagtest, dass jedes deiner Alben ein Schnappschuss der letzten Jahre ist – „Tape Deck Heart“ ist also ein Schnappschuss der letzten zwei, zweieinhalb Jahre und es ist ein sehr nostalgisches Album, es klingt teilweise auch sehr, als würdest du einiges bedauern. Wie ist das alles zustande gekommen?

Wenn ich das Album mit einem Wort beschreiben müsste, und das wäre nicht gerade clever, aber wenn ich müsste, dann würde ich sagen, dass es von Veränderungen handelt. Viele Dinge haben sich für mich in den letzten Jahren geändert. Offensichtlich ist es in meiner „Karriere“, wenn du es so nennen willst, ziemlich fantastisch gelaufen. In meinem Privatleben sind mache Dinge hingegen nicht so gut gelaufen, das wird auch auf dem Album recht deutlich, aber ich hatte einige schwere Momente in meinem Privatleben und mit meinen Beziehungen und das hat mich zum Schreiben animiert. Oder, besser: Ich setze mich nicht und entscheide, dass ich über irgendetwas schreibe und dann damit anfange. Ich folge den Songs lieber, als dass ich sie irgendwo hinführe – und als wir das neue Album fertig hatten, dachte ich zuerst: „Mann, ich musste wirklich darüber sprechen, das los werden“. Ein großer Teil von dem was ich schreibe ist Katharsis, aber ich hoffe, dass das Album genug von dem hat, womit die Leute etwas anfangen können – nicht, dass es am Ende so aussieht, als würde ich ihnen einfach nur mein Tagebuch der letzten zwei Jahre vorlegen (lacht). Aber ja, es ist wohl nicht das fröhlichste Album, das ich je geschrieben habe… (lacht) es hat seine Momente, aber es ist ein Album über die dunkleren Seiten, denke ich.

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(C) freeloosedirt / flickr.com

Neben den Beziehungen singst du auf dem Album zudem über viele „alte Dinge“, wie eben Polaroids, Kassettendecks, das abgerissene Astoria in London – viele junge Leute werden spätestens in ein paar Jahren vermutlich kaum was damit anfangen können…

… ja, das ist wohl eine schlechte Marketing-Entscheidung von mir (lacht).

Versuchst du auf diese Weise irgendwie, diese Dinge ein wenig im kollektiven Bewusstsein zu verankern?

Ja, schon, aber weißt du, es ist lustig. Viele Leute sagen „Oh, jetzt stehst du also wirklich auf Kassetten?“ , aber ich hasse Kassetten so sehr, sie sind furchtbar, sie gehen ständig kaputt, es ist so eine beschissene Art Musik zu hören. Wenn ich all die Stunden zurückbekommen könnte, die ich damit verbracht habe, mit einem verdammten Bleistift kaputte Kassetten zu reparieren…

Aber ich mag das Kassettendeck als Metapher und irgendwie ist es mit Polaroids ähnlich: Ja, es ist nostalgisch und alt, aber eben auch bekackt, und kaputt und funktioniert eigentlich gar nicht so richtig. Ich will hier auch gar nicht sitzen und zu sehr über diese Metapher für den Albumtitel nachdenken, aber ich mag die Idee, dass ein Tape Deck Heart Dinge genauso gut abspielen wie zerstören kann.

Der Song, aus dem diese Metapher stammt, ist „Tell Tale Signs“, der möglicherweise traurigste auf dem Album. Und du singst dort mal wieder über eine Amy…

Oh… jetzt muss ich vorsichtig sein, was ich sage. Irgendwie ist das komisch, einerseits versuche ich immer so viel wie möglich über die Dinge zu sagen, über die ich schreibe, andererseits gibt es da jedoch einen Grad an Anonymität, weil ich nicht über das Leben anderer Leute reden oder jemanden diffamieren möchte. Also… Amy heißt nicht wirklich Amy, aber sie ist eine echte Person. Dieser Song soll der letzte sein, den ich über diese Geschichte schreibe, aber das sage ich jetzt – gib mir mal zehn weitere Jahre und lass uns dann gucken, wie das funktioniert hat.

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