Ben Bernschneider hat es geschafft. Als Fotograf sowieso, jetzt aber auch auf internetionalem Terrain. Als erster (vermutlich) Sterblicher ist er doppelt in dieser nun wöchentlich erscheinenden Rubrik vertreten. Wie „kurzweil“ sein „ICH“ ist, stellt der sympathische Hamburger mal wieder spielend unter Beweis.
Im Interview redet er über übertriebenen Selfie-Wahn, seinen Wunsch, 150 Jahre alt zu werden und über sein Altes ego „Joni“. Aber lest selbst – oder schaut euch nur die Bilder an, ist auch nicht verkehrt.
Weißt du eigentlich, dass du der Erste bist, der ein zweites Interview in der „kurzweil-ICH“-Reihe erhält?
Das wusste ich nicht. Freut mich.
Über vier Jahre ist es seit dem letzten Mal her – was hat sich seitdem bei dir geändert?
In 4 Jahren sollte sich so ziemlich alles verändern, finde ich. Alles andere wäre ja schlimm. Das Leben ist ziemlich kurz. Also, auf die Fotografie bezogen, benutze ich anderes Equipment, knipse keine Mode mehr und distanzier mich auch so weit es geht von meinen alten Sachen.
In der Zwischenzeit hast du ja mit „DIAMONDTIMES“ (2014) und „TALES OF AN AMERICAN SUMMER“ (2015) zwei Bildbände unters Volk gebracht – unter anderem auch mit deren crowdfunderischer Hilfe. Wie zufrieden bist du mit der Entwicklung?
Sehr! DIAMONDTIMES war ja eher etwas, das aus der Laune mal so raus musste, eine Fingerübung. Aber auf TALES bin ich schon ein bisschen stolz, weil es mir wieder gezeigt hat, dass die viele Liebe, die man in irgendwas steckt, auch erwidert wird.
Was können wir vom demnächst erscheinenden Band „RETURN OF AN AMERICAN SUMMER“ erwarten?
Zum Einen liegt es in der Natur der Sache, dass sich bei einer Trilogie Dinge ähneln. Eine visuelle oder dramaturgische Klammer gibt es natürlich. Aber wenn man in das zweite Buch eintaucht ist es viel rauer, dreckiger und vielleicht ein Tick mehr artsy fartsy. Mehr Frauen, mehr von dem, was ich mag, weniger von „Oh-Ah,-das-könnte-den-Leuten-gefallen“. Beim ersten Teil waren ja auch nur 60% der Bilder analog, diesmal sind es 99%.
Deine Bücher, die sich mehr und mehr dahin entwickelnde Bildsprache – da schwingt verdammt viel Amerika mit. Hast du mal daran gedacht, komplett in die Staaten zu ziehen? Oder hat man da als deutscher Fotograf kaum eine Chance?
Ob ich daran gedacht habe? Gib mir eine Greencard und wir sind weg. Oder warte, lass uns bis zur Wahl im November warten. Zum Einen wäre nicht gesagt, dass ich als Fotograf mein Geld verdienen würde und zum anderen kann man für Jobs ja immer hin und her-fliegen.
Amerikanischer Lifestyle hat bei dir auch den einen oder anderen Nippel hervorgebracht – die Zensur-Praktiken welchen Social Media Networks bringst du am meisten „Bewunderung“ entgegen?
Bewunderung? Die ticken doch alle nicht richtig. Ich finde die ganzen grundkranken Findet-ihr-mich-schön?-Ja?-Selfies wesentlich vulgärer als Nippel oder einen nackten Hintern. Wo wir schon bei Selfies sind, – und ich rede nicht von Selfies vor irgendwelchen Urlaubslandschaften etc., – finde ich Instagram-Accounts, die beinahe nur aus dem eigenen Gesicht bestehen, so verstörend und vielsagend schlimm, dass ich bereits den Kontakt mit 2 Modellen abgebrochen habe. Die finden ihr eigenes Gesicht wunderbar?! Schöner und interessanter als all die Dinge, mit denen man sich so tagsüber befasst? Das ist doch gar nicht möglich.
Ich war mal wieder etwas irritiert, als mich eine Mail von „Jonas Bernschneider“ anlachte. Für mich bist du mittlerweile „nur“ noch Ben – wie sehr hast du dein „altes Ich“ noch im Kopf?
Es ist doch nur ein Name. Drei alte Freunde und meine Familie nennen mich „Joni“, sonst niemand. Sollte mich jemand „Jonas“ nennen, ist die Kacke wahrscheinlich am dampfen. Aber alles nicht wichtig. Nur Schall und Rauch.
Und „Ben“ wurde es dann schlicht aus Gründen der Alliteration…?
„Ben“ war immer der Protagonisten-Name aus meinen früheren Kurzfilmen, als ich noch im Produktions-AK des Kölner Filmhauses saß. Eines Tages, als ich mit einem Script um die Ecke kam, sagte jemand „Guckt mal, da kommt das neue Script von Ben Bernschneider“ und schrieb es an die Tafel. In der Tat sah die Alliteration gut aus.
Jahre später, als ich dann mit der Werbung nichts mehr am Hut haben wollte, hab ich bei dem ersten Spielfilm den Vornamen in den Credits geändert, so als kreatives Alter ego. Und damit, falls man mich mal googelt, man auf keine Werbung von mir trifft.
Damals meintest du noch, du hättest kein wirkliches Lieblingsmotiv unter deinen Arbeiten – und jetzt?
Ich bleibe dabei – ich finde, dass sich Kreation im ständigen Wandel und Wechsel befinden muss. Und dass passiert ja mit Leib und Seele. Da kann ich unmöglich immer das Gleiche gut finden. Aber es gibt ein paar Bilder, die die Zeit überdauern und die ich mir immer noch gerne angucke. Das Cover von TALES OF AN AMERICAN SUMMER finde ich, hat was ikonisches, dass mir sehr gut gefällt.
Wie ist es denn andersherum: Gibt es Motive, die du heute nicht mehr gerne siehst oder schlicht anders inszeniert hättest?
Alles von früher. Beinahe Alles.
Ist mal ein Projekt komplett in die Hose gegangen? Also z.B. erdacht, geplant, umgesetzt – und am Ende ist nie etwas an die Öffentlichkeit gelangt?
Damals für Pro7 gab es einen Spielfilm, den ich zusammen mit Erol Yesilkaya geschrieben hatte. „Das Geisterschiff“. Der Film war fertig und die Produktion lief gerade an, da wurde das Ding gekippt, weil Pro7/Sat1 entschied, dass Mystery in Deutschland versagt hätte. Aber in jüngster Zeit nicht. Ich betreibe meine Projekte ja dann auch manisch und wie ein irrer Tag und Nacht, so dass gar keine Zeit zum Versagen bleibt.
Welche Tipps würdest du angehenden Fotografen geben (vll. auch, damit so etwas nicht passiert)?
Tut alles, was ihr tut, mit Leib und Seele. Und nur das, was ihr liebt.
Ich verstehe ja auch die Leute nicht, die sagen: „Ich würde (wasauchimmer) so geeeeerne tun, aber ich muss nebenbei ja noch arbeiten.“ Zusammen mit einem „Aber“ steckt die Lüge ja schon im Satz selbst. Irgendwann kommt der Punkt, an dem aus „so geeeeerne tun“ ein „ich muss es tun“ wird und dann kündigt man und macht nur noch das, was man machen will. Der Punkt kommt von ganz alleine. Und vorher ist es halt nur eine Liebelei. Ich denke, das trennt vielleicht den Künstler (im weitesten Sinne) von anderen Menschen, die ihr Glück darin finden, für andere zu arbeiten.
Noch immer tobst du dich auch abseits der Fotokamera kreativ aus, erstellst Werbefilme und drehst wieder Kurzfilme. Wann reicht das statische Bild nicht mehr aus?
Es geht nicht um ausreichen, sondern ausreizen. Wenn ich, wie jetzt gerade mit RETURN OF AN AMERICAN SUMMER, acht Monate lang nichts anderes gemacht habe, als Fotos zu schießen, zu scannen, zu atmen und auszukotzen, dann ist es irgendwann ausgereizt. Da ist dann Schluss. Und was einen davon abhält in eine tiefe Depression zu verfallen ist die Begeisterungsfähigkeit für andere Dinge. Plötzlich ist das Filmemachen wieder wie eine befreiende, ganz wunderbare Ausdrucksform und der Sinn des Lebens. Und dann betreibt man das manisch, 24 Stunden am Tag, ein paar Monate und nachdem man irgendwas erschaffen hat, muss man das Ruder rumreißen und neues entdecken. Aber das Gute ist – es ist nichts umsonst gemacht. Man lernt ja jedesmal dazu und schaukelt sich langsam auf allen Gebieten hoch. Man müsste nur 150 Jahre alt werden, um alles mal gemacht zu haben.
Mit „Bad Sheriff“ arbeitest du gerade an einem 20-Minüter – was ja schon mehr Film als Kurz ist. Was können wir erwarten?
Den besten Kurzfilm aller Zeiten. Der Babo unter den Chabos der Deutschen Kurzfilmlandschaft. Der Mac Daddy der Shortmovies. Alle werden sagen: Der Papa ist zurück.
Aber im Ernst: es wird ein hoffentlich schönes Stück Kintopp. Und ich mach das in erster Linie für mich und für das Team. Wenn es irgendwem auf irgendeinem Festival gefällt – Bombe. Aber es geht in erster Linue um’s Machen an sich und darin aufzugehen. Der Film wird eine ganze Weile nicht im Netz zu sehen sein, da wir gerne die komplette Festivaltour machen würden und ich rumreisen will. Aber wir machen hier und da immer mal semi-private Vorstellungen auf diversen Leinwänden.
Vielleicht wird der Film auch eine Katastrophe. Dann schließ ich mich für ein paar Wochen ein und dann geht die Arbeit an THE END OF AN AMERICAN SUMMER schon los.
Immer meine letzte Frage: Was machst du, wenn dir langweilig ist?
Etwas anderes. Wenn die digitale Fotografie langweilig wird, knipst man analog. Wenn Polizist sein langweilig wird, wird man Feuerwehrmann. Wenn Steuerberatung langweilig wird, macht man seinen eigenen Internetshop mit getragenen Höschen auf. Es gibt genug schöne Dinge zu tun.
Danke für das Interview.
Ich danke. Bis zum dritten Interview in 4 Jahren.
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