Zwar kann ich dieses Mal leider nicht mit Vorab-Einschätzungen zu demnächst veröffentlichten Alben aufwarten (das dürfte am üblichen Dezember-Loch liegen, liegen mir doch gar bereits Bemusterung für 2024 vor…), dafür gibt es aber satte zehn(!) Alben in diesem Beitrag. Tatsächlich sind auch alle Wochen-Veröffentlichungs-Zeitpunkte seit den letzten „Kurzreviews“ vertreten, ein Album erscheint sogar heute (Happy Release Day!). Viele Alben treffen aber leider auf wenig Zeit bei mir, so dass ich heute zugegebenermaßen viele schnellere und kürzere Eindrücke als sonst parat habe (nach vielleicht drei oder vier Durchläufen). Aber wir sind ja hier auch nicht bei den „Langreviews“, woll?! Aber vielleicht erklärt diese nicht vollends gezeichnete Meinungsbild die hohe Anzahl ähnlicher Bewertungen dieses Mal…
Review: „One More Time“ von blink-182
Release: 20.10.2023 | Genre: Punk-Pop | Spotify
Wie viele habe ich mehr sehr über die Rückkehr von Tom Delonge gefreut und vor allem rund um den Release des Titeltracks „One More Time“ kamen nostalgische Emotionen auf. Und doch gefällt mir das neue Album nicht so gut wie z.B. das deutlich runder wirkende „Neighborhoods“. Man hat sich eher darauf besinnt, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Aber auch wenn es einiges an durchschnittlicher „Habe ich so schon mal von ihnen gehört“-Ware gibt, so finden sich auch viele interessante Elemente. Die Mixtur führt dann zwar zum unrunderen Gesamtbild, aber es freut mich dann doch, härtere kurze Punk-Einlagen oder an Toms Nebenprojekt Angels & Airwaves erinnernde Passagen zu hören. Einen „Oho-hoo!“-Refrain wie in „Dance With Me“ haben die Herren aber meiner Meinung nach nicht nötig. „More Than You Know“, „When We Were Young“ und „Turpentine“ befindet sich unter meinen persönlichen Favoriten.
Review: „Primetime“ von Alli Neumann
Release: 27.10.2023 | Genre: Pop mit Charakter | Spotify
Nachdem mich das Debütalbum bereits positiv stimmen konnte, geht Alli Neumann ihren Weg mit „Primetime“ konsequent weiter. Dabei lässt eine der interessantesten Deutsch-Pop-Stimmen das „schwere zweite Album“ wie lockerleicht aus der Hüfte geschossen wirken. Mit dem Titeltrack gibt es direkt einen der neben „Blue“ Übersongs des Albums zu hören, die beide das Recht besitzen, auf meiner „Best of 2023“-Playlist zu landen. Und auch wenn nicht alle Songs des Albums diese Qualität erreichen können, bleiben Durchhänger dann doch selten und jedes Mal, wenn man das Gefühl hat, jetzt könnte es zu seicht werden, kommt wieder ein Upbeat-Track, der Bewegung in die Sache bringt. Allgemein zeigt „Primetime“, dass deutsche Pop-Musik noch originell und dabei sowohl charakterstark als auch eingängig sein kann. Erinnert nur mich „cool kids“ an die junge Nina Hagen…?
Review: „Chronicles of a Diamond“ von Black Pumas
Release: 27.10.2023 | Genre: Souliger R’n’B-Rock | Spotify
Eine interessante Genre-Mischung bieten Black Pumas mit ihrem neuen Album. Da finden sich Elemente des Jazz, ein Gospel-Chor, eine E-Gitarre und vor allem eine wandelbare Stimme, die mal rauchig-dunkel und mal quietischig-hoch unterwegs ist. Eine spannende Mischung, die sofort als Lounge-Musik im Hintergrund funktioniert, aber genug Tiefe und Kanten besitzt, um nicht langweilig zu werden, wenn man sich länger und häufiger mit ihr befasst. Nur die ganz großen Hits und hinten raus etwas Griffigkeit fehlen.
Review: „Double Sky“ von Catalyst
Release: 20.10.2023 | Genre: Alternative Rock | Spotify
Harter Rock, der klassische mit modernen Elementen vereint und gewaltige Atmosphäre aufgebaut bekommt. Das wäre mein Elevator Pitch zur neuen Catalyst-Platte. Dabei scheut das Schweizer Duo nicht vor längeren Instrumental-Passagen zurück und erinnert im dynamischen Gitarrenspiel immer wieder an Jack White oder Wolfmother, aber auch Erinnerungen an Johnossi werden geweckt. Etwas mehr Varianz hätte ich mir letztlich aber noch gewünscht, sowohl stimmlich als auch in der Musik selbst, die auch mal ruhigere Verschnaufpausen gebrauchen könnte, da die Drum-und-Gitarren-Wände dann doch eher schwer denn eingängig daherkommen.
Review: „No Drama“ [EP] von Figure Beach
Release: 17.11.2023 | Genre: Indie-Rock | Spotify
Statt „Beach Figure“ heißt es Figure Beach und mit den ersten Takten des Openers „Dystopian Days“ wird direkt klar, dass man sich auf spätsommerlichen Indie-Rock freuen kann. Statt Kakkmaddafakka oder die frühen Two Door Cinema Club nimmt es aber hinten raus schwerere Züge an, die eher an die Strokes erinnern. Vor allem „Black Horizon“ sticht heraus. Letztlich kann noch etwas an den Songs gefeilt werden, aber vor allem Potenzial in Melodik und Struktur sind bereits erkennbar. Eine EP hat es immer leichter, mit Frische zu überzeugen, vor allem bei gerade mal vier Songs. Die Wertung gilt es also auch erst einmal mit einem Langspieler zu bestätigen.
Review: „Dark Habits“ [EP] von LEAP
Release: 10.11.2023 | Genre: Alternative Rock | Spotify
Immerhin sechs Lieder hält diese EP für uns bereit. Leider fehlt es mir allerdings in einigen Songs an Dynamik. „Fistful Of Money“ ist jedoch stark und „Exit Signs“ könnte auch auf meiner Jahres-Playlist landen. Vielleicht liegt es auch gerade an diesen beiden starken Songs, dass die anderen im Vergleich deutlich blasser erscheinen. Aber schlecht ist das alles nicht, da ist Potenzial vorhanden, definitiv.
Review: „Müde“ von Leftovers
Release: 03.11.2023 | Genre: Punkrock | Spotify
Dieses Album ist Berlin. Dreckig, laut, wild und ein bisschen abschreckend, bietet dann aber doch verdammt viel, wenn man sich drauf einlässt. Leftovers stammen aber nicht aus unserer Hauptstadt, sondern auf Wien. Auch dort scheint es genug zu geben, über das man schreien möchte. Schroffes Geschrei gibt es bei vielen Möchtegern-Punkbands zu hören, „Müde“ liefert aber musikalisch dann doch mehr als das übliche Einerlei. Die Instrumentals wirken zwar hier und da noch etwas blechern und könnten meiner Meinung nach mehr Tiefe vertragen, es gibt aber auch viele experimentelle Dinge zu hören und auch Gesang führt sich in das Schrei-Konzept ein. Das ist Musik mit Charakter und Meinung, die wunderbar aus dem 08/15-Suff deutscher Rockmusik empor steigt (und es zum Beispiel deutlich besser macht als Pinguin Flugschau, die es nicht in diese Ausgabe geschafft haben).
Review: „We Were Girls Together“ von POM
Release: 10.11.2023 | Genre: Indie-Pop-Rock | Spotify
Deutlich ruhiger geht es bei POM zu, wobei der Anschein, der im Opener „A Burning House“ zunächst geweckt wird, trügt. Auch das Amsterdamer Quintett hat gewaltig Energie im Angebot, die aber mit leichteren Melodien vermengt wird. Das funktioniert beispielsweise bei „Together We Go“ oder „Bittersweet“ hervorragend, „Red Dress“ erinnert gar ein bisschen an The Subways oder Blood Red Shoes. Auch hier lässt sich mit Sicherheit noch feilen und zum Beispiel mal mit anderen Gitarren-Settings arbeiten, um vielseitigeren Sound zu bieten, aber das ist dennoch ein schönes Album geworden.
Review: „Fronzoli“ von Psychedelic Porn Crumpets
Release: 10.11.2023 | Genre: Garage-Rock | Spotify
Einer der besten Bandnamen aller Zeiten liefert auch mit dem sechsten Studioalbum (in acht Jahren!) wieder gewohnte Power, die sich dieses Mal auch nicht mal einen Takt Zeit gibt, sondern direkt Lautstark einsetzt. Eingängig ist wie immer anders, aber selbst nach mehreren Durchläufen bin ich noch nicht ganz drin und erachte „Shyga! The Sunlight Mound“ als das deutlich bessere Album. Dass es mir teils zu psychedelisch ist, darf ich bei dem Bandnamen natürlich nicht bemängeln, aber in mir kommt der Verdacht hoch, dass man vielleicht mal etwas mehr Zeit in die Arbeit an einem Album stecken sollte, um mehr Tiefe und Besonderheit zu schaffen. „Pillhouse (Papa Moonshine)“ gefällt mir aber ganz gut.
Review: „idk“ von Wait of the World
Release: 27.10.2023 | Genre: Pop-Rock | Spotify
Leider ist es auch bei diesem Album so, dass mich vor allem ein Song besonders abholt, der Rest aber ein merklich abfällt. Der Titeltrack „idk“ ist schon sehr nice! Leise, laut, langsam, schnell, bass-wummernd und doch mit schriller Gitarre. Diese Mixtur steht beinahe im krassen Kontrast zum Rest der Platte (bis auf „Lies“ vielleicht), was seltsam wirkt, steht er doch – auch als Vorabsingle – repräsentativ für das Album. Viele andere Songs wirken eher wie eine Mischung aus Enter Shikari und Bullet for my Valentine, wissen aber nicht entsprechende Qualitätsspitzen zu erreichen. Schade, da hatte ich mir mehr erhofft.
Albumtitel sind Amazon-Partnerlinks.
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