Auch vor der Musikindustrie macht die fies Kombination „frühzeitiges Sommerloch + Coronavirus-Pandemie“ nicht Halt. Für diese Ausgabe habe ich entsprechend lediglich vier neue Platten für euch parat. Das ist auch der Fall, weil die neue Fratellis-Scheibe kurzerhand von Mai auf Oktober geschoben worden ist. Aber um es vorwegzunehmen: Das dürfte für alle besser sein so… Dafür gibt es dieses Mal wirklich viel total individuellen Indie-Krams für euch.
Review: Petals for Armor (Hayley Williams)
Release: 08.05.2020 | Genre: Indie-Pop | Spotify
Die erste Soloplatte ist für eine eigentliche bandmusizierende Person ja immer so eine Sache. Paramore-Frontfrau Hayley Williams hat aber taktisch klug vorgesorgt, indem sie den Sound der letzten Platte mit ihren Kollegen bereits deutlich in Richtung ihres Solo-Klanges geleitet hat. Entsprechend gibt es auf „Petals for Armor“ eben eher blütenhaften Indie-Pop denn brachiale Rock-Riffs zu hören. Ich finde das schade, aber wie bei „After Laughter“ ereilt mich auch bei diesem Album das Muster, das den Schritten Enttäuschung-Akzeptanz-Wohlwollen folgt. Denn so seltsam und unspannend die Songs zunächst klingen, so sehr wissen sich Melodien und Gefühl nach und nach ins Hirn zu knabbern. Bis man dann doch mitwippt und einige Songs als toll erachtet (z.B. „Sudden Desire“, „Over Yet“ oder „Simmer“) – ohne wirklich zu wissen, was einem daran gefällt. Die teils experimentell angehaucht dargebotenen Gesangseinlagen („Cinnamon“! Und in „Sugar on the Rim“ klingt sie wie Madonna) gepaart mit dem musikalischen Grundstil dürften wirklich ein Wagnis gewesen sein, das einige der Paremore-Fans erster Stunde abtrünnig werden lassen dürfte, dafür wird Williams sicherlich etliche neue Sympathisanten dazu bekommen. Mir gefallen die Paramore-Sachen dennoch besser.
Review: Better Days (Tim Vantol)
Release: 22.05.2020 | Genre: Singer-Songwriter-Pop-Rock | Spotify
Der niederländische Frank Turner macht es seinem prominentem musikalischen Abbild nach und wird insgesamt etwas seichter. Wobei, das war Tim Vantol vermutlich schon immer verhältnismäßig. Es bleiben zehn moderne Folklore-Poprock-Songs mit leicht rauchiger Stimme laut eingesungen mit Hang zum Indoor-Geschrei, die mir leider zu oft zu sehr in den Country-Bereich abdriften. „Better Days“ wünschen wir uns ja tatsächlich alle und die Aggressivität des Titeltracks macht auch wirklich Laune. Melodien wie bei „Haven’t You Learned“ oder „You Will Never“ hängen einem nach, ob man will oder nicht, und von „5 Inch Screen“ will ich gar nicht anfangen… Dennoch bleibt es eine hörenswerte Platte, wenn man die Stilnähe zu Turner nicht als Gottelästerung erachtet.
Review: Human Contact (The Howl & The Hum)
Release: 29.05.2020 | Genre: Indie-Jawaseigentlich | Spotify
Eine sehr interessante Genre-Mischung bietet uns das Indie-Quartett aus York diesen Monat. Was noch elektronisch reduziert beginnt, wird mit Einsetzen der Gitarren gehalt- und kraftvoller und weiß selbst dann von Song zu Song den Assoziationswandel voranzutreiben. Mal klingt es wie Keane, dann nach The Script, dann wieder ein bisschen wie Everything Everything oder gar nach dem verträumten Radiohead. Neben dem sehr einnehmenden „Human Contact“ weiß mich skurrilerweise das monoton dahin wabernde „Got You On My Side“ in seinen Bann zu ziehen, „Until I Found A Rose“ ist auch klasse. Insgesamt ein sehr gelungenes Album, das Abwechslung und Atmosphäre bietet.
Review: Abracadabra (Jerry Paper)
Release: 15.05.2020 | Genre: Indie-Weirdness | Spotify
Etwas mehr Abwechslung hätte sicherlich auch Jerry Paper gut getan. So gefällig die Kombination „funkige Bassline trifft Schlafzimmergesang“ auch zunächst anmuten mag, so repetitiv wirkt es dann auf Dauer. Klar, das bricht auch mal hier und da auf, bleibt aber stets im recht ähnlichen Jazz-Pop-Gewandt. Nett, aber mir fehlt da die Kante.
Albumtitel sind Amazon-Partnerlinks.
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