Nach unendlich erscheinenden 42 Sekunden schaltete die Ampel auf Grün. Hätte Frank doch nicht so eingängig den Zettel studiert und die erste Passierphase dem Wortlaut nach passend verpasst… Schnell vorbei an weiteren frierenden und schlecht gelaunten Menschen, die sicher auch alle Tampons und Milch kaufen müssen. Sie alle tun Frank leid. Genau, wie er sich selber. Nur ein kleiner Junge tat ihm noch mehr leid… Der hatte keine von ihm selbst ausgewählte Freundin, die ihn losschickte, sondern eine von seinem Vater ausgewählte Mutter, die ihn sinnlos mitschleift. Warum holt sie ihre Tampons nicht alleine? Wird sich wohl auch der kleine Bengel denken, als er wütend in eine der zahlreichen Pfützen springt und somit Flecken auf den Mantel der vermeidlichen Mutter, und ein Lächeln auf Franks Gesicht zaubert.
Im Laden war die Hölle los. „Haben die Leute nichts besseres zu tun, als genau dann einkaufen zu gehen, wenn ich es muss?“ dachte Frank sich. Anscheinend nicht. Alle Kassen waren geöffnet, aber die Leute schlängelten sich dennoch. Lange Reihen gequälter Mitvierziger-Gesichter. Könnte auch ein Vorverkauf eines Tokio Hotel Konzertes sein. All die Menschen, die für andere, meist kleinere, Menschen durch den Monsun Regen müssen, um für diese irgendwas zu holen, was man eigentlich nicht braucht. Wie bei Frank. Tampons, Milch, Äpfel… und bestimmt erst recht die zwei verschmierten Sachen.
So schnell es ging sucht sich Frank alle Sachen zusammen, die er besorgen soll. Markennamen und Preise sind dem Faktor Greifbarkeit eindeutig untergeordnet. Kurz bevor er in eine der Damenregalreihen abbiegt, überlegt Frank, ob er sich Gedanken über die Tampons machen soll, verwirft dies aber sofort, als er das große Schild mit der Schrift „Sonderangebot“ erblickt. Fünf Packungen zum Preis von Vieren. Klasse! So muss er bestimmt eine Zeit lang nicht los, und männerverspottendes Einkaufsgut besorgen. Rein damit in den Einkaufswagen. Die zwei verschmierten Zeilen auf der Einkaufsliste versteht Frank als gottgegebene Joker. Universell nach Gunst des Einkaufsleiters interpretier- und einsetzbar. Da die Leiterin aber nicht da ist, darf der ausführende Sklave die Entscheidung treffen. Also schnell ein Sport-Magazin, eine Tiefkühlpizza und ein saftiges Steak geholt und gekonnt über die Tampons frapiert, um diese zu verdecken. Muss ja nicht jeder sehen, zumal es aussieht, als leide seine Freundin an inneren Blutungen. Pizza und Steak sah Frank als Unterprodukte des Punktes Essen an, und somit als einen verbrauchten Joker.
So, alles aufgetragene im Wagen, ab zur Kasse. „Oh nein!“, denkt sich Frank, als er in der vermeidlich kürzesten Reihe seinen nervigen Nachbarn Tobias aus dem zweiten Stock sieht. Spontan auf die längste Schlange umgeschwenkt. Aber die scheint auf einmal deutlich flotter voran zu gehen, als die anderen. Man steht auch einfach immer an der falschen Schlange! Nach kurzer Zeit steht Frank auf einmal neben Tobias. „Ach, schau an, der Frank! Na, haste auch mal Freigang?“ lässt sich Tobias nicht lang auf eine Konversation einladen. „Hi. Ähm, ja. Muss was für die Wärterin besorgen..“ entgegnet Frank ohne seine Genervtheit zu verbergen. Dabei fängt er an, seine Artikel nach und nach auf das Band zu stapeln. Da es nicht wirklich voran geht ist sein Einkaufsgut mittlerweile weitaus höher, als lang angeordnet.
„Wow. Habt ihr ne Kuh geschlachtet, die euch die Küche zublutet, oder warum das Tampon-Geschwader da?!?“ bricht es kichernd aus Tobias raus. „Ja, genau Tobias. Für das Schwein hatten Sandras Vorräte noch gereicht, aber für die Kuh brauchten wir Nachschub,“ sagt Frank, weiter Sachen auf das Band legend. „Hach, Du bist so witzig Frank! Du, sag mal, was hältst Du denn davon, wenn ihr heute Abe…“ – „Du, sorry Tobias. Aber bei mir hier geht’s weiter, bin jetzt dran. Sprechen ein anderes Mal.“ Gerade noch geschafft. Das wäre wieder so ein verlorener Abend gewesen. Mit Schreinerlehrling Tobias und seiner dicken Freundin die ganze Zeit Verliebt-In-Berlin-DVDs schauen oder anderes unmenschliches Zeug machen. Wirklich voran ging es jetzt bei Franks Schlange natürlich nicht. Die Rentnerin vor ihm versuchte zwanghaft mittels 2-Cent-Stücken den verlangten Preis von 1,53 EUR für ihren stündlichen Großeinkauf zusammen zu kratzen.
Als Frank endlich an der Reihe ist, tut ihm die Kassiererin, die gerade seinen Stapel mühsam abbaut, noch mehr leid, als er sich selbst. Immerhin muss sie den ganzen Tag lang schlechtgelaunte und bemitleidenswerte Personen erleiden, wie er es einer ist, und dabei zumindest versuchen freundlich zu sein und glücklich zu wirken. Den Versuch schien Frau P. nicht wirklich starten zu wollen. Dennoch scheint sie wohl die einzige noch bemitleidenswertere Person, als Frank selber, zu sein. Ach nein! Da war ja noch der kleine Junge von vorhin. Genau den erblickt Frank nämlich beim Blick zur Bäckerei. Da steht er. Der kleine, ach so bemitleidenswerte Junge. Und dreht sich zu Frank. In der Hand ein Eis, und im Gesicht ein Grinsen und anscheinend noch ein komplettes Eis. Jetzt hat es selbst der gut. Verdammt.
Egal. Endlich raus aus dem Laden. Frank schaffte die Ampel gleich bei der ersten Grünphase und torkelte aufgrund des Gewichtsunterschieds der beiden Tragetaschen, wie ein Besoffener durch’s Treppenhaus. Im zweiten Stock war er besonders leise, damit Tobias oder seine dicke Freundin ihn nicht bemerken. Oben angekommen klingelt Frank schnell, weil er keine Lust hat, nach dem Schlüssel zu fingern. Als die Tür aufgeht, ist Frank mehr als erleichtert, nicht nur um die zwei Tragetaschen, die er im Flur abstellen kann. Schnell ein Kuss für Sandra und ab auf die Couch, wieder wichtiges machen, wie Fernseh-Schauen.
Aber Sandra hatte da wohl etwas gegen: „Schaahaatz? Kannst Du die Tüten bitte schonmal in die Küche bringen? Ich mach mich schnell noch frisch, denn es ist Besuch da! Tobias und seine Freundin sind hochgekommen. Supi, gell?!“ Nein. Nicht supi. Absolut nicht supi! Toll, wie kann dieser Tag noch schlimmer werden? „Ach, Schatz?! Was ist das denn?!? Du solltest doch andere Tampons holen! Hab ich Dir doch extra auf die Liste unten geschrieben! Geh nochmal los, die anderen holen!“
Klasse. Noch einmal ein kleiner Junge sein. Am besten mit Eis. Das wär’s!
Sehr schön.
Immer wieder gern gesehen sind diese Details mit den 1.53 der alten Dame.
Ich vermute mal, würde diese Leute Autofahren, so würden sie selbst noch versuchen, 1.429 passend zu bezahlen.
Tampons und Binden und so’n Zeugs sind aber auch wirklich ein Minenfeld. Im Grunde genommen ist das Emanzipation durch die Hintertür, weil wir’s nicht kapieren. Oder so.
kann mich Michael nur anschließen – find die Geschichte auch sehr schön.
Ich habe Angst vor Tampons, aber wenn du unbedingt einen Horrorfilm machen willst können wir die Story gern verfilmen.
Geile Idee, das mit dem Verfilmen! :D
Schön Peter, dass Du Gefallen an meiner Idee gefunden hast. ;)
Und auch schon, dass noemo es auch gut findet, hehe. Vielleicht bekommen wir ja ein paar Leute und ne Kamera zusammen (die eh längst überfällig für den Blog ist), und dann geht’s ab! ;)
MIt blutigen Zwischensequenzen… hach, hab schon so viele Ideen. :D
*uargs*
Bist Du sicher, dass Du für den Film nicht auch diese blaue Flüssigkeit nehmen willst, die laut Werbung aus Frauen herausläuft?
:D
Mal schaun. Für irre Zwischensequenzen und Gedankenzapps ist immer Zeit… Hab den Film innerlich schon abgedreht, mal schaun, wann wir das umgesetzt bekommen. ;)
Wäre sehr cool, wenn man auch eine blutende Kuh zu sehen bekommt ;)
Vielleicht hast du Lust, dich an unserem Wettbewerb zu beteiligen? Es winkt eine Veröffentlichung in einer Anthologie. Mehr dazu unter http://sieben.alext.de
Grüße,
Alexander
@Alexander: Das hört sich ganz gut an. Werd mal schaun, ob ich bis zur Deadline was hinbekomme. Danke für den Hinweis!
EDIT: Hab mal was geschrieben.. weiß aber noch nicht so ganz, ob es das Wahre ist… ;)