Aus Gründen bin ich mal wieder dran an unserem Meinungs-Mittwoch. Dieses Mal geht es um ein Thema, das uns eigentlich alle irgendwie berührt – oder eben auch nicht: Weihnachten. Ab September ist man verärgert über erste Domino-Steine und Schoko-Weihnachtsmänner im Supermarktregal, ab Oktober fragt man sich, wieso die bereits mit dem Weihnachtsmarkt-Aufbau beginnen, ab November will man noch gar nichts von Geschenkekauf hören – und plötzlich steckt man mittendrin in Glühwein, Adventskalender und Jahresendstress. Aber irgendwie will sich meine Vorfreude auf das Fest nicht mehr wirklich einstellen. Meist dauert es bis zum Baumaufbau zu Klängen der guten alten Rolf Zuckowski-CD am heiligen Abend bei meiner Family in NRW…
Als Kind hatte ich sie natürlich auch, die leuchtenden Augen beim Gedanken an all die Schokolade und Geschenke und besinnliche Weihnachtszeit. Die Hoffnung auf Schnee, die viel zu langsam voranschreitende Öffnung und Leerung des Adventskalenders und überall tolle Lichter und glückliche Leute. Doch jetzt ist man erwachsen und Weihnachten ist zwar noch immer verdammt wichtig, aber die Vorzeichen haben sich geändert. Und der Fokus aber die eigentlichen Weihnachtstage – diese ganze Adventszeit funktioniert nicht mehr bei mir. Ich freue mich sehr auf die Weihnachtsfeiertage, als tatsächliches Fest der Liebe und Familie, wenn ich mal wieder meine Heimat besuche, bei Oma lecker Kaninchenbratchen mit Rotkohl und Klößen zu essen bekomme und mal wieder ein paar Terminfreie Tage daheim verbringen kann.
„Was wünscht du dir denn dieses Jahr zu Weihnachten?“ wollte Mutter wissen, sobald die letzten Sommersonnenstrahlen verglüht waren. „Hm, keine Ahnung…“. Als Kind kamen über das Jahr gesammelte Antworten aus der Pistole geschossen, Versandkataloge wurden mit Markierungen versehen, die die darauf folgende Auflistung kaum mehr auf eine Din-A4-Seite hat passen lassen. Priorisierung war beim Wünsche-Ranking eine verdammt wichtige Sache! Und jetzt ist da wieder dieses Erwachsensein. Viele Dinge kann man sich selber leisten, hat man bereits oder man sieht ein, dass man es eigentlich gar nicht braucht. Also wünsche ich mir nach erschreckend langer Dauer „richtig geile Socken“, „vernünftige und schicke Handtücher“ und „so ein richtig gutes Küchenmesser“. Wow, mein jugendliches Ich möchte mich Langweiler mal gehörig gegens Schienbein treten.
Klar, die Gründe für augenscheinliche Vorweihnachtszeit-Phobie oder zumindest schwindende Fest-Vorfreude liegen auf der Hand: Termine, Stress, „wichtige“ und wirklich wichtige Dinge, die man „unbedingt noch machen“ muss. Die Tage rasen nur vorbei und ich freue mich wirklich jeden Tag auf das Öffnen meiner Adventskalender, aber eher aus dem Überraschungsgedanken heraus – wirklich weihnachtlich ist das nicht. Und die Türchen öffnen sich gefühlt schneller als bei „Geh aufs Ganze“ damals (und nein, ich bin ein total disziplinierter Adventskalenderer!). Diese fehlende Vorfreude empfinde ich als bekennender Atheist übrigens nicht nur bei diesem eigentlich religiösen Feiertag – selbst mein eigener Geburtstag ist mir irgendwie nicht mehr wichtig. Früher habe ich mich gefreut, dass Weihnachten und „mein“ Tag (24. Mai) fast perfekt weit auseinander liegen – jedes halbe Jahr Geschenke, yeah! Mittlerweile werde ich mit „bald hat da wer Geburtstag…!“ von Freundin oder Freunden darauf hingewiesen, dass das ja tatsächlich nur noch ein paar Tage entfernt ist. Feiern? Joa, wenn es halt gerade passt, kommt gerne rum, aber nichts Großes. Stumpfe ich ab? Werde ich alt? Oder bin ich einfach nur zu rational und all die kindlich als „toll“ und „muss“ und „magisch“ empfundenen Dinge wurden von mir einfach herunter priorisiert. Wie so ein Projekt-Manager des eigenen Lebens, der eben keinen Platz für Emotionalität in der Excel-Tabelle der Tage und Aktivitäten mit viel zu kurzer Zeitleiste hat.
Und ja, ich gehe auch ganz gerne MAL auf den Weihnachtsmarkt. Glühwein mit Freunden trinken, eine Bratwurst essen oder Firlefanz kaufen. Aber das reicht ein paar Mal – und muss nicht bereits ab Mitte November der Fall sein. Irgendwie wirkt das Ganze dann auch eher volksfestlich auf mich und wenn ich plötzlich zwei Kids an der Straßenecke Weihnachtslieder auf ihren Blockflöten spielen höre, schrecke ich ein wenig zurück. „Aber es ist doch noch gar nicht Weihnachten!“ schreit mein innerer Wutbürger, ehe mein rationales Inneres bemerkt, dass wir schon den zweiten Advent haben. Und nur noch etwas über zwei Wochen bis Weihnachten. Wie war das noch gleich mit dem Geschenke-Kauf-Stress…?
Bild: Steve Halama
Weihnachtsstimmung kommt nicht einfach auf; wir sind diejenigen, die uns nicht mehr die Zeit nehmen, das zuzulassen. Unser innerer Projektmanager brüllt was von Terminen, Geschenken und Verpflichtungen zur Weihnachtszeit. Erst, wenn wir dem ordentlich das Maul mit dem Kaninchen und Rotkohl gestopft haben, schalten wir ab. Vielleicht sollten wir den schon weit vorher anfüttern. Versuch’s mal, das klappt. Aber: dann nicht mehr auf den Weihnachtsmarkt! Das ist dann nur noch ein ver-zuckerguß-tes Wacken für Bürofacharbeiter… Frohes Fest!
Klar, am Ende ist eh jeder seines Glückes Schmied und am meisten Weihnachten findet man dann eben doch mit der Familie und der heimischen Ruhe. Dekorierte Supermärkte und Innenstädte machen das noch lange nicht.
Mir geht es mittlerweile ganz ähnlich. Wenn ich dann überall die Weihnachtsdeko sehe, habe ich eher das Gefühl, also würde die Welt um mich rum sich verkleiden. Das wirkt so seltsam alles, wenn man es mal nüchtern betrachtet Oo
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Ich bin gerade ein wenig erschrocken, denn vor ein paar Tagen erst habe ich noch genau darüber in einem ähnlichen Wortlaut mit meinem Freund darüber gesprochen.
Mir geht das ganze „Konsum-Gedönse“ um Weihnachten so auf die Eier (ja, ICH als Frau habe tatsächlich welche :p ), dass ich schon drauf und dran war zu sagen „lass uns dieses Jahr untereinander nichts schenken, wir sind alle alt genug, uns selbst zu kaufen, was wir möchten – reicht es nicht, dass wir gemeinsam kochen, essen, lachen, zusammen sind?“ Und das sage ich mit 28/29 Jahren!
Ich wäre eher dafür, zwischendurch im Jahr Geschenke zu verteilen, einfach, wenn man etwas sieht und an eine geliebte Person dabei denkt – die Freude und Überraschung ist doch dann erst recht größer?!
Ab und zu kommt ein kleines „Weihnachtsfünkchen“ in mir auf, wenn der Tag mal etwas entspannter ist und auch noch passenderweise Klassiker der Weihnachtslieder im Radio laufen – die Bravo Rock Christmas war mein Weihnachts-Hit-Mix zu Teenie-Zeiten :)
Aber ja, das Aufregende, die Vorfreude, die Gefühle (!) für Weihnachten gibt es nicht mehr so, wie es sie als Kind / Teenie gab; und das macht mich irgendwie traurig :(
Wie kriegt man das zurück?
Schön, dass ich da nicht alleine bin. :) Aber wie Sven ja bereits treffend anmerkte ist es eben auch das, was wir draus machen. Also Zeit nehmen, sich das Fest so machen, wie man es für richtig hält und mit Freunden und Familie Zeit verbringen. Dann kommt dieses „Gefühl“ vielleicht wirklich auf. Zumindest mehr, als wenn man durch verkleidete Innenstädte hetzt… :/
Ruhe und Besinnlichkeit
kommen nicht zu jederzeit
Du hastet und kommst nicht zu Ruh‘,
man schüttet dich mit Arbeit zu.
Jahresende, Schreibtisch frei,
Wie? Ist allen einerlei.
Du selbst mischt fröhlich mit beim Spiel,
Verweigerung, die bringt nicht viel.
Weihnachtsmarkt, das ist für dich
ein Zerrspiegel, ja, irres Licht.
Hat nichts zu tun mit Weihnachtszeit,
nur Fressen, Saufen, Heiterkeit
Wacken für Bürogesindel,
Glühwein, Wurst und teurer Schwindel
Doch sie wollen es so haben
und über die Stränge schlagen
Stille oder Heilige Nächte rechnen
sich für Wirtschaftsmächte
Nun mal nicht und derenthalb
dieser Tanz ums gold’ne Kalb.
Sinn und Stille kosten Zeit,
dazu sind wir nicht bereit
Auch viel and’res endet schon
in der Prokrastination.
Darum soll sich nicht beschweren,
wer zu faul ist, sich zu wehren
Sich nicht übt in Konsumverzicht,
sondern geht zum Brunnen, bis er bricht
Geht mal in euch, horcht hinein,
OB Weihnachtszeit soll sinnvoll sein
Dann wehrt ab, wenn einer kommt
und Besinnlichkeit kommt prompt.
Nett! :)
Ich will mich ja schließlich nicht langweilen, sondern eine gewisse Besinnlichkeit aufbauen ;-)