Ich habe es erfolgreich geschafft und es ist mir erschreckend leicht gefallen, kein Spiel der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft der Herren zu sehen. Das dürfte ein bisschen daran liegen, dass ich seit der Jogi-Löw-Ära allgemein nicht mehr sonderlich emotional mit der deutschen Nationalmannschaft verbunden ist, vor allem aber natürlich mit dem gastgebenden Land dieses Jahr: Katar. Zu den Gründen, weshalb diese Winter-WM eine verdammt blöde Idee war wurde ja bereits genug geschrieben und gesagt, das fasst Till Reiners ganz gut zusammen. War der Aufschrei bei der WM-Vergabe noch eher klein, wurde immerhin kurz vor dem Start des Turnieres ordentlich getrommelt, doch schnell regierte dann doch das rollende Leder wieder und für viele war alles vergessen (so es überhaupt je eine Rolle gespielt hatte).
Aber ein kleines bisschen hat #BoycottKatar dann doch gebracht. Die Einschaltquoten blieben geringer als üblich und erfreulicherweise sogar hinter den Zahlen der Fußballerinnen zurück (wobei der oftzitierte direkte Quervergleich hinkt wie einst die Bundeswade Michael Ballacks). Und weil meine Bubble super ist, habe ich auch im Freundeskreis wenig bis keine Gefahr verspürt, irgendwo Fußball schauen zu müssen. Selbst meine vorab gewähnte Neugier am kuriosen Erlebnis, einem Public Viewing bei Glühwein beizuwohnen, sollte sich nicht bewahrheiten. Ja, ich habe Ergebnisse mitbekommen und ein schönes Seitfallzieher-Tor habe ich mir dann doch bei Twitter gegeben, aber ansonsten – nüschts.
Und ja, da gab es eines der angeblich besten WM-Finals aller Zeiten und doch gibt es kaum Gewinner. Klar, die argentinische Nationalmannschaft, der man es irgendwie gönnt, aber noch mehr gegönnt hätte, wäre der Triumph bei einem normalen Turnier passiert. Oder vielleicht der Schweizer Luxusuhren-Hersteller Hublot, der signifikante Steigerung in den Website-Aufrufen zu verzeichnen hatte, da der Markenname auf den Schildern für die Auswechslungen prangte. Da haben wohl ein paar Katari Lust auf ein neues Spielzeug bekommen.
Es gibt aber deutlich mehr Verlierer als Gewinner. Nein, damit meine ich nicht (nur) die deutsche Nationalmannschaft, sondern den Sport als solchen. Dass Geld nicht erst seit gestern den eigentlich für andere Werte stehenden Fußball seit Jahrzehnten mehr und mehr unterwandert, ist keine neue Erkenntnis. Die Extreme, die die Raffgier und Ruchlosigkeit der Fifa annimmt, nimmt aber erschreckende Ausmaße an. Erschreckend ist aber auch, dass der Plan aufgegangen ist. Ja, ein bisschen Hickhack, aber selbst nach den allerblödesten Entscheidungen um bunte Armbinden oder eingeschränkte Journalist:innen war vieles vergessen als der Ball selbst rollte. Das ist nicht nur schade, sondern hat eine eigentlich besondere Welt-Veranstaltung für viele Leute madig gemacht. Und das nicht nur für dieses eine Event, fürchte ich. Denn durch solch tiefe Einschnitte kann man auch komplett die emotionale Bindung verlieren. Naja, immerhin haben wir es jetzt hinter uns, auch wenn das den Familien der verstorbenen Gastarbeitern auch nicht viel Trost sein dürfte…
Artikelbild: Emilio Garcia
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