Gedanken einer 19-Jährigen: Wie nötig ist der Weltfrauentag wirklich? Livia-Portrait-kolumne-2020

Letzte Woche feierte ja die Welt wieder den Internationalen Frauentag. Naja, wie man so einen Tag eben feiert. Gar nicht. Wenn man genau hinsieht, ist es eigentlich nur eine politisch motivierte Aktion, um für etwas zu werben, was eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Als der Weltfrauentag eingeführt bzw. entstanden ist, machte es mit Sicherheit auch Sinn. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war der Kampf um die Gleichberechtigung oder das Fordern für das Wahlrecht für Frauen eine extrem wichtige Sache. Aber jetzt leben wir in einer völlig neuen Weltordnung. Es sollte doch mittlerweile in der heutigen modernen Zeit keine Unterschiede mehr geben. Egal ob Mann, Frau oder Queer. Ich brauche den Internationalen Frauentag nicht, da ich jeden Tag stolz bin, eine Frau zu sein, und nicht nur an einem speziellen Tag. Warum muss man immer wieder das Thema Gleichberechtigung diskutieren und dann auch noch als Feministin gelten, wenn man sich für Gleichberechtigung einsetzt? Das nervt!

Man sollte es einfach nur leben und nicht diskutieren. Ich glaube nicht, dass der Weltfrauentag die Lösung dafür ist, etwas zu ändern. Es wird immer nur darüber geredet, geredet geredet… Ich würde viel lieber an die Mädchen und Frauen erinnern, die unsere Welt tatsächlich etwas besser gemacht haben. Aber nicht nur durch einen Ehrentag, sondern schon in der Schule. Jede einzelne Geschichte von Sophie Scholl, Anne Frank, Malala Yousafzai oder Rosa Parks sollte man kennen. Und zwar als ganz normales Grundwissen. Was weiß man denn wirklich über diese Heldinnen? Ist doch alles nur oberflächlich. Ich finde es für unverzichtbar, schon in der Schule ausführlich über diese Heldinnen zu reden. Aufzuzeigen, zu was Mädchen im Stande waren, und vor allem, warum sie es gemacht haben.

Wer war denn Sophie Scholl?

Sie war ein ganz normales Mädchen in der Zeit des Dritten Reiches. Sie und ihre Geschwister traten sogar in die Hitlerjugend ein und waren da am Anfang sehr engagiert. Bis sie anfing, hinter die Kulissen zu blicken. Bis sie begann, zu hinterfragen, und sich ihre eigenen Gedanken über das Regierungssystem des Nationalsozialismus zu machen. Sie gründete mit Freunden und ihrem Bruder in München die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Sie verteilten Flugzettel: „Im Namen der deutschen Jugend fordern wir vom Staat Adolf Hitlers die persönliche Freiheit zurück!“. Und nur dafür wurden sie und alle anderen der „Weißen Rose“ zum Tode verurteilt. Sie war 21 und wusste um die Gefahren und trotzdem hat sie sich für Freiheit eingesetzt. Sie hat es für eine bessere Zukunft gemacht, für unsere und für meine Zukunft.

Und wer war Anne Frank?

Auch sie war nur ein ganz normales Mädchen in der Zeit des Nationalsozialismus. Nur dass sie Jüdin war. Und dass ein religiöser Glaube überhaupt ein Thema ist, um über einen Menschen zu urteilen, und zu verurteilen, finde ich einfach absolut irre und krank. Und dass es jetzt in unserer modernen Welt immer noch so ist, macht es für mich noch schlimmer. Anne Frank war meiner Meinung nach das intelligenteste Mädchen auf unserem Planeten. Das Tagebuch von Anne Frank, das sie als 12-Jährige schrieb, in der Zeit, als sie sich mit ihrer Familie vor der Polizei versteckten musste, sollte Pflichtlektüre in der Schule sein. Nur ein Zitat davon: „Ich finde es sehr komisch, dass erwachsene Menschen so schnell, so viel und über alle möglichen Kleinigkeiten Streit anfangen; bis jetzt dachte ich immer, dass Zanken eine Kindergewohnheit wäre, die sich später geben würde.“ Niemand zeigt die Gefühlswelt, wie es ist, nur wegen seines Glaubens getötet zu werden, besser als ihr Tagebuch. Sie starb mit 15 Jahren im KZ Bergen-Belsen, nur, weil sie Jüdin war.

Wer war Rosa Parks?

Sie gehörte zu den ersten großen afroamerikanischen Bürgerrechtlerinnen in den USA. Sie kämpfte in einer Zeit gegen die Rassentrennung, in der Martin Luther King noch weitgehend unbekannt war. Ohne Rosa Parks wäre vielleicht auch Martin Luther King nicht so in die Geschichte eingegangen, wie er es letztendlich tat. Sie war die erste Afroamerikanerin die sich gegen praktizierende Rassentrennung wehrte. Was würde sie wohl denken, wenn sie die Gegenwart sehen würde? Wenn sie sehen würde, dass ihr Kampf für Gleichberechtigung immer noch nicht vorbei ist?

Wer ist Malala Yousafzai?

Sie kämpft immer noch für Bildungsfreiheit für alle Mädchen auf der Welt. Malala Yousafzai aus Pakistan überlebte als 15-Jährige nur knapp einen Anschlag. Man hatte sie angegriffen, weil sie sich damals für die Bildung von Mädchen in Pakistan eingesetzt hatte. Ab 2007 haben die pakistanischen Taliban begonnen, die Schulen für Mädchen zu schließen, und schreckten dabei auch vor Mordanschlägen nicht zurück. Am 9. Oktober 2012 wurde Malala von den Taliban mit mehreren Schüssen in den Kopf und Hals lebensgefährlich verletzt. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie in Großbritannien und kämpft seitdem für Bildung von Mädchen auf der ganzen Welt. Deswegen wird sie von den Taliban immer noch als Feindin angesehen. Sie kämpft weiter, obwohl sie immer noch Angst um ihr Leben haben muss. Vor den Vereinten Nationen in New York hat sie 2013 eine beeindruckende Rede gehalten. Für ihren Mut und ihr Engagement hat sie unter anderem im Jahr 2014 den Friedensnobelpreis bekommen. Ihre Botschaft: „Ich bin hier, um meine Stimme zu erheben für ein Recht auf Bildung für alle Kinder. Also lasst uns einen weltweiten Kampf wagen, gegen Analphabetismus, Armut und Terrorismus, lasst uns unsere Bücher und Stifte holen, sie sind unsere stärksten Waffen. Ein Kind, ein Lehrer, ein Buch und ein Stift können die Welt verändern. Bildung ist die einzige Lösung. Bildung zuerst.“

Diese vier Heldinnen sind nur ein kleiner Teil an Mädchen und Frauen, die unsere Welt ein bisschen besser gemacht haben. Sie haben einen Ehrentag verdient. Sie sind Vorbilder für alle Menschen. Diese vier brauchen keine Gleichberechtigung. Sie verkörpern die Gleichberechtigung. Ich würde mir daher wünschen, wenn man nicht jedes Jahr daran erinnert wird, dass Gleichberechtigung ein Wunsch und keine Realität ist. Ich würde mir einfach wünschen, dass jeder Mensch als Mensch zählt und gesehen wird. Unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder Religion.

Junior-Bloggerin Livia (Website) aus München ist trotz ihrer jungen Jahre bereits eine alte Häsin hier. Als Erste Kolumnisten ist sie bereits seit September 2015 hier aktiv und schreibt monatlich über gesellschaftliche Dinge aus der Sicht einer modernen Jugendlichen.

2 Kommentare

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