Nun hat in allen Bundesländern die Schule wieder begonnen. Für einige war es der erste Schultag und für andere ist es das letzte Schuljahr. Aber für die meisten Schüler/innen fängt das neue Schuljahr wieder so an, wie das alte aufgehört hat. Mit dem gleichen Gefühl und der Hoffnung, nicht zu versagen.
Spätestens in der vierten Klasse spürt ein Schüler das erste Mal diesen besonderen Druck. Denn für viele Eltern ist es Grundvoraussetzung, dass ihr Kind den Übertritt ins Gymnasium selbstverständlich erreichen muss. Und wenn es dafür eng wird, dann muss die Nachhilfe die Lücken schließen. Aber auch in der ersten Klasse ist der Leistungsdruck schon ziemlich hoch. Bei uns wurde damals vorausgesetzt, dass jeder Schulanfänger zum Beginn des ersten Schuljahres bereits bis zehn zählen und das ABC, sowie seinen Namen schreiben konnte. Wenn das ein Schüler nicht beherrschte, hatte er also schon sein erstes Problem.
Nach einer Studie der DAK wurde festgestellt, dass fast jeder zweite Schüler unter Stress leidet. Das ist eine krasse Zahl und bestätigt auch das, was ich täglich in der Schule und im Freundeskreis sehe und erlebe. Ich kenne selber Jugendliche, die wegen eines Burnouts behandelt wurden oder freiwillig in eine Realschule wechselten, weil sie den Leistungsdruck des Gymnasiums nicht mehr aushielten. Und das waren aber nicht immer Schüler mit schlechten Noten. Teilweise waren das auch gute Schüler, die aber diese Drucksituationen einfach nicht mehr aushielten. Was für mich oft sehr belastend ist, wenn man Schülerinnen auf der Mädchentoilette heulen hört und das passiert leider des Öfteren. Am meisten, wenn Schulaufgaben geschrieben wurden oder wenn man sie rausbekommen hat.
Dass es überhaupt so weit kommt, dass Schüler aufgrund eines hohen Schul- und Leistungsdrucks in ärztliche Behandlung müssen oder freiwillig aufgeben, zeigt doch, dass hier irgendwas nicht stimmt. Die Gründe dazu sind vielschichtig. Ich glaube, viele wissen, dass es Eltern mit einer teilweise überzogenen Erwartungshaltung gegenüber den Kindern gibt. Das löst natürlich bei den Jugendlichen auch einen sehr hohen Leistungsdruck aus. Immer wieder wird den Schülern eingetrichtert, wie wichtig ein Abitur für das Leben ist und alles andere einfach nur Versagen darstellt.
Das hilft einem Jugendlichen nicht wirklich weiter. Gerade in der Pubertätsphase wird das noch viel komplizierter. Und ich habe auch noch keinen Jugendlichen kennengelernt, der absichtlich schlecht in der Schule abschneiden will. Ich habe das Glück, dass ich Eltern habe, die mich auch mal bremsen, wenn ich gerade zu viel will. Da sieht man auch, dass Eltern einen Anteil daran haben, wie Schüler mit dem Leistungsdruck umgehen, aber ich will jetzt nicht alles auf Eltern schieben. Denn nicht nur der Leistungsdruck kann bei einem Schüler zu viel Stress auslösen, sondern auch Mobbing. Ständige Schikanen bedeutet Stress, der jeden Jugendlichen bis zur Belastungsgrenze bringen kann. So kann es auch hier zu einem Burnout bei Schülern kommen.
Ich glaube, niemand kann bestreiten, dass die Anforderungen nicht nur in der Schule, sondern auch in der Zeit nach dem Abitur oder der Berufsausbildung gestiegen sind. Es ist doch so: immer mehr, immer weiter und immer höher. Was auch grundsätzlich okay ist, wenn man darauf auch vernünftig vorbereitet wird. So ist es aber leider momentan nicht. Zumindest nicht für die Hälfte der Schüler, die mit den Drucksituation nicht so gut umgehen können. Ich kann mit Stress sehr gut umgehen, aber andere leider eben nicht. Doch jeder Schüler hat die gleiche Chance verdient. Egal, ob er mit Stress umgehen kann oder auch nicht. Deswegen wäre es auch wichtig, das Schulsystem in Deutschland dahingehend zu hinterfragen, ob es das aktuell kann. Oder ob es der heutigen Zeit angepasst werden soll.
Ich denke, die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert. Als Schülerin denke ich daher, dass auch das deutsche Schulsystem eine Modernisierung gebrauchen könnte. Angepasst an die heutige Zeit, die immer digitaler wird. Und dann stellt sich noch die Frage, ob es nicht für alle Schüler dahingehend gerechter wäre, wenn das Schulsystem und Lehrpläne in ganz Deutschland gleich wären. So dass, jeder Schüler die gleichen Möglichkeiten bekäme.
Wenn also so viele Schüler unter Stress leiden, sollte man das auch wirklich ernst nehmen.
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Hi, schöner Beitrag! Hast Du denn konkrete Vorstellungen, wie man das Schulsystem modernisieren könnte?
Ich bin seit ca. 10 Jahren raus aus der Schule und kann daher selbst nur noch begrenzt mitreden.
Die bundesweite Vereinheitlichung der Lehrpläne finde ich auf jeden Fall schon einmal gut: In der Uni hatten einige Studenten schon Dinge im Unterricht gehört und andere nicht – nach dem Friss-oder-Stirb-Prinzip wurde das dann eben einfach erwartet. Die Uni will da klar zur Selbstständigkeit erziehen (bzw. die unselbstständigen aussieben) – über die Sinnhaftigkeit und die daraus resultierende Ausbildungsqualität scheiden sich die Geister (höhere Fähigkeit sich etwas selbst beizubringen VS. besseres Wissen).
Was mMn gar nicht geht: Erwartungen an Erstklässler, Zahlen und Buchstaben bereits zu kennen. In der Uni (und vermutlich auch in der Schule) bestimmen die lauten Besten, wie es der Dozent/Lehrer empfindet, wie die Gruppe/Klasse der Vorlesung/Unterricht folgen kann. Die schlechteren 2/3 fallen dann einfach hinten runter. Wenn das quasi schon in der ersten Klasse passiert und ein paar Kinder übereifriger Eltern, die lesen und rechnen schon als Baby beigebracht bekommen haben, die Unterrichtsgeschwindigkeit bestimmen, wundert es mich nicht, wenn am Schluss 50% der Grundschüler nicht richtig lesen, schreiben und rechnen können…..
Bei dem Umfang, der an den Schulen gelehrt wird, gibt es nur immer einen Trade-Off, den ich live mitbekommen habe:
– Wir haben in der 11. Klasse nicht mehr rechnen, sondern das Bedienen eines GTRs gelernt.
– Unser Technik-(Statik-)Lehrer hat n diversen Stellen angemerkt „das war eigentlich mal im Lehrplan, braucht man auch immer mal wieder, wurde aber aus dem Lehrplan gestrichen, deshalb kommt jetzt halt das“.
Ich habe den Eindruck, da kommt immer mehr Stoff hinzu, weil immer mehr Stimmen laut und gehört werden „das ist aber wichtig für xyz“. Der Schulstoff wird immer umfangreicher und am Schluss diskutieren Leute darüber, was drin bleibt und was nicht, von denen jeder sein Fach für das wichtigste hält.
Da finde ich die Aufteilung ab der 11. Klasse in berufliche Gymnasien mit verschiedenen Orientierungsrichtungen schonmal recht gut – obwohl man natürlich mit 16 nicht unbedingt entscheiden kann, in welche Richtung man sich in den kommenden Jahren entwickeln will und was man den Rest seines Lebens machen will. (Geht man z.B. an ein Wirtschaftsgymnasium, anstatt auf ein technisches, verbaut man sich fast schon den Weg zu einem Physik- oder Maschinenbaustudium).
Was ich auch völlig hirnrissig finde: Dass mittlerweile jeder meint, aufs Gymnasium zu müssen und ein Abi machen zu müssen. Das ist ein Teufelskreislauf: Immer mehr Leute haben immer höhere Abschlüsse, KFZ-Mechaniker bräuchten eigentlich nur einen Hauptschulabschluss für eine Azubi-Stelle, genommen werden aber nur Leute mit Realschulabschluss oder gar Abitur, weil es sich die Einstellenden eben aussuchen können. Und so verschiebt sich der Drang zum Schulabschluss immer weiter nach oben.
Ich für meinen Teil bin froh, auf einer Realschule gewesen zu sein, da dort auch 2-3 Schulstunden pro Woche Handwerkliches beigebracht wurde, was im Studium vielen Mitstudenten gefehlt hat (einfach die Ideeen, wie man einen Aufbau im Labor machen kann; einige stehen dann ratlos vorm Tisch und kommen nicht auf die Idee, ein paar Schrauben zu suchen^^).
In diesem Sinn: Ein Hoch auf unser Schulsystem! ;)
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