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20 Jahre Bandgeschichte, neun Studioalben – allesamt in englischer Sprache. Und Karacho kommt die ursprünglich aus Ibbenbüren stammende Band um Frontmann Ingo Knollmann auf die Idee, deutsche Texte zu bringen. Ein risikovolles Unterfangen, wissen wir doch alle um die Gefahren deutscher Sprache: Kitsch, fehlende Smoothness, abgehackte Aussprache. Dafür ist eben alles geradeaus, direkt verständlich und irgendwie näher.
„Ich hab mir freiwillig im Radio so Sachen wie Pur und Rosenstolz angehört. Einfach, damit der Shit-Detector geeicht ist“ (Ingo Knollmann)
Ist das Unterfangen geklückt? Ich habe mich einige Male durch die Platte gehört – und war durchaus überrascht.
Track by Track
Kurioser Weise beginnt das Album mit einigen englisch-sprachigen Wortfetzen und beinahe als Widerstand gegen die anglizistische Musik gibt es ein hartes „Von jetzt an mach ich nicht mehr mit“ entgegen. Die erste Single geht durchaus nach vorne – musikalisch wie blickweisend. Mit Dann ohne mich bleiben wir direkt in der punkrock’schen Anti-Haltung. Dabei tritt die Band in eine (leider) ungemein aktuelle Gesellschafts-Problematik. „Idioten sind nicht lang alleine“ oder auch „Kein Mensch ist illegal“ sind dann eben Aussagen, die in deutscher Sprache deutlich wirksamer sind. Ein gelungenes Statement gegen Fremdenhass und Pseudo-Bewegungen.
Dann wird ein Junger Mann zum Mitleiden gesucht. Auch wenn es textlich ganz gefällig ist, fällt der Track musikalisch in den Strophen etwas ab. Ein Solo sowie ein beruhigter Part am Ende können das Ruder aber noch einmal herum reißen. Das Basisriff gefällt zudem enorm. Problem kein Problem kommt deutlich lässiger und vor allem ruhiger daher. Ein schöner Bruch mit der rauen Stimmlage Knollmanns. Es fehlt im Refrain etwas der Schmiss, dafür gibt es einige schöne Zeilen zu hören.
„Und der einzige Rat, den ich dir geben kann: Nimm am besten keine Ratschläge an.“
Einen sehr schönen Songaufbau gibt es bei Du darfst niemals glücklich sein. Langsamer Beginn, schnellere Strophe, deutlicher Refrain. Ein ernster und teils melancholischer Text trifft auf ein passendes musikalisches Bett. Ein wunderbar punkiges Zwischenspiel bietet Kaputt. Für mich einer der besten Tracks der Platte. Eben weil demonstriert wird, dass deutsche Sprache auch in schnell und laut funktionieren kann – und es eben schnell und laut ist. Weiter. Ein bisschen Atemholen nach der Hektik. Kann ich mir gut als Single vorstellen, weil es einfach massentauglich sein dürfte und bisher definitiv am melodischsten und atmosphärischsten daher kommt. Dazu ein paar „Hey“-Shouts aus der hippen Folk-Ecke – fertig ist der Emotions-Track.
„I don’t wanna grow up“ sind tatsächlich englisch gesprochene Worte im Track Kopf bleibt oben. Ob hier wohl der deutsche Sprachschatz zu begrenzt war? Im Refrain gibt es dazu das erste Mal tatsächlich die Gefahr in Klischees der deutschen Sprache abzudriften. Einem „Herz“ folgt aber schnell ein „Schädel“ und wir wissen, dass wir nicht befürchten müssen, dass Helene Fischer bald ein Cover des Songs machen wird. Musikalisch ungemein gut gefällt mir Hier also weg. Dynamische Song-Struktur, gewichtige Sound-Kulisse. Über die Zeile „meine Hände haben Beine, meine Beine woll’n nur weg“ lässt sich natürlich streiten – dennoch ein klasse Track.
Etwas nebenher läuft der Straßenköter. Erst Abwechslung zum Songende kann noch etwas Profil verschaffen. Das Ende der Welt ist längst vorbei kommt immerhin etwas ausgefeilter daher. Der Sprach-Rhythmus in der Strophe passt einfach wunderbar, dazu ein bisschen „Yeah-yeah-yeah“ für die Fans. Muss ja auch mal was zum Einstimmen geben. Besser als das sollte ja von Titelwegen bereits ein qualitativer Anstieg sein. Gerade im Gegenspiel zwischen ruhiger Strophe und lautem Refrain passt das auch durchaus. Ob nun noch ein „o-ho-ho“-Song direkt folgen muss – Geschmackssache. Der Song überzeugt jedenfalls mit dunkler Atmosphäre und explosiven Tempowechseln.
Den mit 3:57 längsten Track der Platte gibt es mit Immer noch zu hören. Ein bisschen Western-Rock, der sich schnell in folkigen Gefühls-Rock wandelt. Hm, schwierige Kiste. Ein bisschen wie Ziehharmonika am Lagerfeuer. „Irgendwie mag ich dich [aber] doch“. Zum Ende gibt es noch einen sehr kurzen Streifzug auf den Hansaring. Mir gefällt das akustische Setting. Sehr schade, dass diese gefühlvolle Einlage derart kurz ist. „Lass uns noch ’ne Runde drehen – das wird nie zuende gehen“ motiviert jedoch, nach Ablauf der Platte direkt noch einmal auf „Play“ zu drücken. Gelungener Abschluss.
Fazit
Ich bin ganz ehrlich: Ich habe Schlimmes erwartet. Noch eine Deutsch-Poprock-Band á la Revolverheld & Co.? Muss denn jetzt selbst eine alteingesessene Band mit eigener Linie auf den Deutsch-Hype aufspringen? Doch das Schöne ist, dass die Donots noch immer die Donots sind – nur eben auf Deutsch. Musikalisch teils erfreulich Gas-freudig, textlich gefühlt deutlich ausgefeilter als zuvor. Mag an dem besseren Verständnis auf Hörerseite liegen, oder einfach daran, dass man sich gerade bei dieser Platte eben mehr Gedanken zu den Lyrics gemacht hat.
Auffallend sind die fast ausschließlich zwischen 3 und 4 Minuten liegenden Songlängen. Kein elendig langer Ausreißer nach Oben, keine unnötige Ballade. Dafür zwar hier und da ein paar Füller-Tracks (11-12 hätten es wohl auch getan um etwas schmissiger und kompakter zu wirken). Insgesamt aber ein überraschend positives Ergebnis eines lobenswerten Schrittes. Donots auf Deutsch? Gerne.
Ein paar Snippets zum Album gibt es in dieser Playlist hier zu hören:
Tracklist:
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Tourdaten:
03.03.15 Magdeburg |
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