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Eigentlich sollte heute ja das langerwartete neue Album von Bilderbuch erscheinen. Doch die Produktionsanlage hatte Schluckauf, so dass SCHICK SCHOCK erst kommende Woche in den CD-Regalen zu finden sein wird. Da ist es vielleicht gerade ein Segen, dass der Großteil des Albums bereits vorab bekannt ist. Die EP Feinste Seide sowie einige Vorab-Musikvideos haben nicht nur den (in Deutschland entfachten) Hype um die Österreicher geschaffen, sondern auch bereits ein sehr gutes Abbild über die Platte liefern können. Mindestens fünf der Songs hat vorab vermutlich jeder schon einmal gehört, weitere ggf. auf der letzten Tour als Support der Beatsteaks.
Wie selbständig die vermeintlichen Newcomer (mit zehn Jahren Bandgeschichte und dem mittlerweile dritten Album!) sind, demonstriert, dass das Album auf dem eigenen Label Maschin Records erschienen ist. Hören wir mal rein.
Track by Track
Kurzer Trommelwirbel und schon begrüßen uns energische Bläser im Dschungel. Tanzbare Musik mit jeder Menge Wechsel in Tempo und Rhythmik, dazu mit den belebenden Wechseln in der Instrumentalik, bis hin zum verspielten Gitarren-Solo. Nein, das ist kein Übertrack aber irgendwie die Quintessenz dessen, was einen in der nächsten Dreiviertelstunde erwartet. Mit Feinste Seide erwartet uns ein Gitarrenriff, das scheinbar zu uns spricht. Das Schnelle Tempo des Sprechgesangs von Sänger Maurice Ernst kann sie aber nicht mithalten. Der verirrt sich beinahe in Battle-Rap und schafft es Bruns in einem Segment mit einem „Deine Mudda“-Diss zu stecken. Respekt!
Mit OM folgt die aktuelle Single der Jungs (s. Video hier). Sehr runter gebrochen, sehr entspannt. Und auch wenn ich beim ersten Hören sehr skeptisch war, hat der Song wie alle anderen eine gewissen Rhythmik und einen gesungenen Refrain, der eben in die Glieder geht und im Kopf bleibt. Wenn du denkst, es geht nicht gechillter, kommt der Spliff daher. Ein beinahe minimalistischer Track (wie auch das Musikvideo dazu). Am Ende wacht der Song aber zum Glück noch etwas auf.
Der Titeltrack zu SCHICK SCHOCK hat es tatsächlich geschafft, mich nicht zu enttäuschen. Genau das habe ich mir auf der Platte erhofft. Kantiges und dynamisches Arrangement, das mit jeder Menge Energie und einer gekonnten Mischung aus lyrischer Strophe und exlodierendem Refrain daher kommt. Mit „Softdrinks in der Hand, feinste Seide an der Haut“ werden auch gleich noch ein paar Referenzen zu anderen Tracks geschaffen – für mich einer der besten Songs der Platte und erneut ein Beweis dafür, dass das eigentlich recht simple aber eben eindringliche Gitarrenspiel eine ungemeine Stärke der Band ist.
Sehr skeptisch stand ich dem Track Softdrink entgegen als ich diesen live in München gehört habe. So recht wollte ich nicht glauben, dass man einen solchen Song schreibt und nahezu hypnotisiert-willig „Softdrink“ hochgepitched in die Luft säuselt. Doch schlimmer Weise bleibt selbst dieser Refrain einfach im Kopf kleben. Frechheit. Über den nächsten Song muss ich nicht viel sagen, oder? Maschin ist der absolute Übertrack des Albums. Geniales Arrangement, tolle Textzeilen, hochästhetisches Video.
Eine Prise Kanye West weht einem im Intro zu Barry Manilow entgegen. Keine Bange, tief gesprochene Passagen gibt es nicht. Dafür aber verdrehte Sprachausgabe und deutlich Fuß vom Gas des zuvor geheizten Lamborghinis. Nicht ganz mein Fall. Es folgt ein kurioses Flötenspiel und für euch ein kleiner Servicebeitrag. Unter einem „Plafond“ versteht man eine Zimmerdecke. Wieder was gelernt. Musikalisch bleibt es aber eher auf Lichtschalter-Höhe. Ein Kunstwerk von Song erwartet uns dagegen mit Plansch. Mit Zeilen wie „Dein Herz ist Zucker, deine Hart Camembert“ demonstriert die Band, wie man außergewöhnliche deutsche Texte kreieren kann, die den Punkt treffen ohne dabei schmalzig zu erscheinen.
Mit Gigolo wird es wieder etwas schneller, beinahe elektrische Hip Hop-Beats knallen uns entgegen. Ein Bass-Riff wie beim Arcade-Racer, schneller Sprechgesang, hier wird man automatisch mitgerissen. Wäre DRIVE in den 80ern erschienen, dieser Track wäre im Soundtrack zu hören. Den Abschluss firmt Gibraltar, ein über fünfminütiges Sound-Experiment, das sich langsam aber stetig aufbaut, wieder zurück nimmt und letztlich einen Soundteppich schafft, der langsam abschwächt. Ein Outro-Track in Form einer musikalischen Verabschiedung. Für mich als Einzelsong zwar nicht unbedingt das Tollste auf dem Album, aber es hat etwas von einem letzten Song bei einem Konzert. Funktion erfüllt.
Fazit
Insgesamt kommt SCHICK SCHOCK ungemein Facettenreich daher. Es sind einige sehr besondere Tracks zu hören – den Großteil hat man jedoch vorher schon mitbekommen dürfen. Daher ist der „AHA-Effekt“ vielleicht nicht bei jedem gegeben. Für mich ist die Platte aber ein Beweis dafür, dass die Band sich weiter entwickelt hat – und dennoch einige der verschrobenen Rock-Parts aus Jugendzeiten beibehält. Überlegte Texte im Dialog mit originellem Gitarrenspiel auf einer verspielten musikalischen Reise. Deutsche Musik kann also doch noch Spaß machen!
Tracklist:
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Tourdaten:
11.03.15 // Innsbruck, Weekender (SOLD OUT) |
Foto: Niko Ostermann
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